Frostbedingte Schäden während der COVID-19-Pandemie
Trotz Klimawandel und wärmer werdender Winter frieren jedes Jahr wieder Rohrleitungen und Heizungen ein und verursachen erhebliche Wasserschäden. Dies ist in mehreren Beiträgen des IFS beschrieben. [1-3] Besonders in kalten Wintern ist die Anzahl an frostbedingten Schäden hoch. Im Winter 2020/2021 wurden Temperaturen unter –20 °C erreicht und in einigen Regionen herrschte über einen Zeitraum von mehr als einer Woche Dauerfrost. Gleichzeitig war das öffentliche Leben wegen der COVID-19-Pandemie auf ein Minimum reduziert („Lockdown“). Die meisten Restaurants oder Sportstätten waren aufgrund des Kontaktverbots geschlossen. Zusätzlich führten die Reiseverbote zu leeren Hotels und Ferienwohnungen.
Das IFS hat in den Wochen nach der Frostperiode 146 Gebäude mit frostbedingten Leitungswasserschäden untersucht und in wiederholten Fällen einen Zusammenhang mit den Einschränkungen während der COVID-19-Pandemie festgestellt. Im weiteren Verlauf des Artikels werden die Zusammenhänge vorgestellt und Wege aufgezeigt, gleichartige Schäden in kommenden Wintern zu vermeiden.
Wirkmechanismus „Frost“ in wasserführenden Leitungen
Wasser dehnt sich beim Gefrieren aus, was innerhalb abgeschlossener Bereiche von wasserführenden Leitungen zu einem Druckanstieg führt. Dabei können Drücke entstehen, die deutlich über den zulässigen Betriebsdrücken für die Heizungs- und Trinkwasserinstallationen liegen und die Bauteile plastisch verformen können. [2,3] Die Folge sind Rohrbrüche und Undichtigkeiten in der Installation an den mechanisch schwächsten Stellen.
Dabei ist nicht der Frost die technische Schadenursache. Ursächlich ist der unzureichende Schutz der Installation vor dem Auskühlen und der physikalisch nicht zu verhindernden Eisbildung bei Unterschreitung des Gefrierpunktes.
Eine fehlende oder ungenügende Beheizung ermöglicht überhaupt erst das Einfrieren. Wird das Auskühlen im Gebäudeinneren nicht bemerkt (fehlende oder zu seltene Kontrolle der Räumlichkeiten), nimmt das Unheil seinen Lauf. Schadenbegünstigend wirkt sich dabei aus, dass stagnierendes Wasser in den Leitungen schneller einfriert als bewegtes Wasser. 82 % der untersuchten, frostbedingten Wasserschäden ereignen sich in leer stehenden oder unbewohnten Gebäuden, also unter stagnierenden Bedingungen. [1]
Schadenmindernd hätte sich in den meisten Fällen bereits das Absperren der Hauptwasserleitung (meist hinter dem Wasserzähler) ausgewirkt, wie es in Technischen Regeln VDI 6023 und DIN EN 806 vorgesehen ist. Alternativ sieht das Regelwerk bei nicht ausreichender oder nicht möglicher Beheizung im Winter die Entleerung aller wasserführenden Leitungen vor. Das fachgerechte Entleeren und die entsprechende Wiederinbetriebnahme nach einem Winter sind jedoch sehr aufwendig und aus diesem Grund werden die meisten Gebäude auch bei Abwesenheit oder zeitweiliger Nichtnutzung im Winter beheizt. Dabei ist eine Einstellung der Heizungsthermostate auf Frostschutz („Sternchen“) unzureichend. Verdeckt liegende Leitungen oder Armaturen werden mit der minimalen Wärmezufuhr nicht erreicht. Wie „wenig“ heizen jedoch ausreicht, um das Einfrieren von Rohrleitungen zu verhindern, hängt stark von den individuellen Gebäudeeigenschaften und natürlich auch den Außentemperaturen ab.
Die Erfahrung des IFS zeigt, dass bei Änderungen der Nutzung eines Gebäudes die „ausreichende“ Beheizung im Winter durch regelmäßige Kontrollen überprüft werden muss, um nicht von einem Frostschaden überrascht zu werden. Für ein geändertes Nutzungsverhalten gibt es viele Gründe, zum Beispiel einen Bewohnerwechsel, einen Urlaub, einen Klinikaufenthalt, den Auszug der erwachsenen Kinder, ein renoviertes Gebäude oder auch eine Umbauphase – oder den Lockdown während der COVID-19-Pandemie.
Anfang 2021 waren viele Dinge anders, so natürlich auch die geschlossenen oder nur eingeschränkt offenen Hotels, Restaurants, Veranstaltungsräume, Schulen und Sporteinrichtungen. Ebenso mussten viele Ferienwohnungen leer bleiben. Diese Änderungen in der Nutzung haben während des Winters 2020/2021 mit Dauerfrost bei Temperaturen unterhalb von –20 °C zu vermehrten frostbedingten Schäden geführt.
Bei den im Winter 2020/2021 vom IFS untersuchten 146 Gebäuden mit frostbedingten Leitungswasserschäden sind 14 % der Fälle direkt auf die geänderte Nutzung während der Pandemie zurückzuführen, bei weiteren 3 % ist der Einfluss sehr wahrscheinlich. Somit ist jeder sechste frostbedingte Leitungswasserschaden auf die Maßnahmen während der COVID-19-Pandemie zurückzuführen (Grafik 1). Die folgenden fünf Beispiele veranschaulichen dies.
Hotel
Ein Hotel, bestehend aus einem Hauptgebäude und zwei Anbauten, die unter
anderem einen Festsaal beinhalteten, wurde pandemiebedingt deutlich weniger
genutzt. Lediglich einige ausgewählte Zimmer im ersten Obergeschoss
wurden unter der Woche an Monteure vermietet. Die Hotelzimmer im zweiten
Obergeschoss
(Dachgeschoss) und der Festsaal blieben ungenutzt.
Nach einem Leitungswasserschaden lagen an mehreren Positionen der
Heizungs- und Trinkwasserinstallation frostbedingte Schadenstellen vor.
Ein Bedienhebel einer Einhebelmischarmatur wurde durch eine geplatzte
Mischerkartusche zum Teil hochgedrückt (Bild 1). Dies passierte in einem
Zimmer im Dachgeschoss, angrenzend zu einem nicht gedämmten Bereich
im Anbau. In einem weiteren Zimmer, ebenfalls angrenzend an das ungedämmte
Dachgeschoss, wurde unter dem Fenster ein Heizkörper auf fast
der gesamten Länge aufgebeult (Bild 2). Zudem platzte ein Kupferrohr im
Anbau an einer Außenwand im Erdgeschoss auf (vergleichbar mit Bild 3).
Diese Schäden entstanden alle durch eine Frosteinwirkung und lagen an
Orten im Haus, die bei normaler Nutzung des Gebäudes ausreichend beheizt
waren oder mitgeheizt wurden und durch die „Nichtnutzung“ kälter waren
als die übrigen Gebäudeteile.
Eventlocation
Ein Veranstaltungszentrum war pandemiebedingt geschlossen, während es zu einem Leitungswasserschaden kam. Die Räumlichkeiten wurden lediglich als Lagerraum und zu Besprechungen genutzt.
In den Sanitärräumen wurden neben einem Zulaufschlauch zu einem Toilettenspülkasten zwei Auslaufarmaturen aufgeplatzt vorgefunden. Dabei brach eine Armatur sogar an zwei Stellen auf (Bild 4).
Die Sanitärräume verfügten über keine direkte Beheizung und wurden bei normalem Betrieb über den Gastraum mitgeheizt. Die Abwärme aus dem Gastraum reichte während der geringeren Nutzung im Lockdown jedoch nicht aus, um die wasserführenden Leitungen vor dem Einfrieren zu schützen. Die technische Ausstattung war daher unzureichend, um das Gebäude vor einer Frosteinwirkung zu schützen.
Sporthalle
Der Leitungswasserschaden in einer Sporthalle fiel erst durch einen erhöhten Wasserverbrauch beim Versorger auf. Pandemiebedingt wurde die Sporthalle kaum genutzt und wenn, dann war die Nutzung üblicherweise auch nur auf die Sporthalle selbst beschränkt. Die Schadenstellen lagen in dem angrenzenden einstöckigen Trakt mit Umkleideräumen und einem Abstellraum.
Das Leitungswasser trat aus zwei aufgebrochenen Gussheizkörpern (Bild 5) und weiteren Schäden an Heizungs- und Trinkwasserleitungen aus.
Die Heizungsanlage aller Räume war nachts auf 10 °C eingestellt. Der Temperaturfühler dafür war in der Sporthalle positioniert. Allerdings kühlte der einstöckige Trakt, in dem sich die schadenbetroffenen Räume befanden, schneller aus. Bei Tiefsttemperaturen von bis zu –20 °C, der Nichtnutzung und der daraus resultierenden Stagnation des Wassers in den Leitungen war die Beheizung in den schadenbetroffenen Räumen nicht ausreichend und das Wasser in den Leitungen gefror.
Gebäude mit Ferienwohnungen
In einem Gebäude mit Ferienwohnungen entstand ein Frostschaden an einem Spülmaschinenanschluss im Dachgeschoss. Alle weiteren wasserführenden Leitungen blieben aber unbeeinträchtigt. Die Ferienwohnungen waren zum Schadenzeitpunkt pandemiebedingt nicht vermietet.
Die Küche der Ferienwohnung war seit zehn Jahren unverändert installiert. Im vermieteten Zustand war der Bereich um die Schadenstelle ausreichend beheizt bzw. führte die Nutzung immer wieder zu frischem Wasser in der Leitung, sodass in der Vergangenheit keine frostbedingten Schäden entstanden. Während der Pandemie waren die Heizkörperthermostate auf „Frostschutz“ eingestellt. In dieser Position reichte die Beheizung in der Ferienwohnung aus, die Heizungsinstallation selbst zu schützen.
Die Schadenstelle befand sich allerdings verdeckt hinter der Küchenzeile an der Außenwand unterhalb der Dachschräge und zudem unter einem Dachfenster. Im minimal beheizten Zustand kühlte dieser Teil der Wohnung zuerst und am stärksten aus. Durch die zusätzliche Stagnation des Wassers fror die Zuleitung der Spülmaschine lokal ein.
Dorfgemeinschaftshaus
In einem Dorfgemeinschaftshaus, bestehend aus einem Hauptgebäude und einem Saalgebäude, kam es zu diversen Schäden an den wasserführenden Leitungen im Saal. Das Hauptgebäude wurde zum Schadenzeitpunkt wochentags als Kinder- und Jugendtreff genutzt. Hingegen hingen im ungenutzten Saal bei der Schadenfeststellung noch Eiszapfen an den Heizkörpern.
Neben aufgeplatzten Gussheizkörpern lagen unter anderem auch auseinandergedrückte Pressverbindungen der Kupferrohrleitungen innerhalb der Trinkwasserinstallation vor (Bild 6).
Das Saalgebäude wurde über die Heizung des Hauptgebäudes beheizt und konnte separat abgesperrt werden. Wenn die Thermostate der Heizkörper nicht aufgedreht waren, steuerte ein Frostschutzthermostat das Absperrventil und öffnete bei Temperaturen unterhalb 8 °C.
Dann floss warmes Heizungswasser durch den Heizkreis des Saalgebäudes. Allerdings war der Frostschutzthermostat an einer durch das Hauptgebäude mitbeheizten Innenwand angebracht. Als der Frostschutzthermostat den Heizkreis öffnete, waren die außen liegenden Leitungen bereits eingefroren.
Fazit
Generell ist zum Schutz vor frostbedingten Schäden darauf zu achten, dass alle Bereiche eines Gebäudes mit wasserführenden Leitungen ausreichend beheizt sind oder die Leitungen entleert werden. Anmerkung: Außenwasserhähne und deren Zuleitungen müssen bei verringerter Beheizung entleert sein.
Besondere Vorsicht ist bei einer Änderung der Nutzung geboten, wie die Beispiele mit der erzwungenen Nichtnutzung während der COVID- 19-Pandemie gezeigt haben. Dabei wären die Schäden mit regelmäßigen Kontrollen vermieden worden, da das Auskühlen rechtzeitig erkannt worden wäre. Die Kontrollen dürfen sich dabei nicht nur auf die Räume beschränken, sie müssen auch „Funktionsprüfungen“ der Armaturen beinhalten, um das Einfrieren verdeckter Rohrleitungen zu verhindern.
Die Erfahrungen mit den Frostschäden während der COVID-19-Pandemie sollten für jeden Gebäudeeigentümer oder -nutzer Anlass genug sein, in Wintern nach Änderungen der Nutzung oder bei einem unbekannten Gebäude (z. B. nach dem Neuerwerb) die Beheizung sorgfältig zu kontrollieren und mit einer Reduzierung der Beheizung sehr vorsichtig zu sein.
Weitere Tipps und vorbeugende Maßnahmen sind übersichtlich im „Wintercheck für wasserführende Leitungen“ des IFS zusammengestellt: www.ifs-ev.org
Dr. Katja Hauschildt
Dr.-Ing. Thorsten Pfullmann
Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e.V. (IFS), Kiel