Die zunehmende Komplexität der technischen Beschaffenheit von Kraftfahrzeugen für den Straßenverkehr stellt die Feuerwehren bei Bränden und Hilfeleistungen in den letzten Jahrzehnten vor zunehmende Herausforderungen. Bei Bränden von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben kann es Besonderheiten geben. Generell kann es bei PKW unabhängig von der Antriebsart in weniger als zehn Minuten nach der Brandentstehung zum Vollbrand des Fahrzeuges kommen. Erhebliche Gefahren können nach der Beschädigung eines Tanks für flüssigen Kraftstoff durch Unfallmechanismen und bei der Brandbekämpfung durch auslaufenden Kraftstoff und infolgedessen rasanter Brandausbreitung entstehen. Besonders kritisch für die Einsatzkräfte können zerberstende Druckgastanks sein (Bild 1). Ein spektakulärer Fall war die Explosion eines gasgetriebenen PKW nach einem Unfall mit Folgebrand im Kreis Segeberg in Schleswig-Holstein (Quelle: HFUK Nord, Der Sicherheitsbrief, Ausgabe 2-2014), bei dem der Fahrer starb und zehn Einsatzkräfte teilweise schwer verletzt wurden, obwohl sie sich noch nicht unmittelbar am Unfallfahrzeug aufhielten. Damals wurde zunächst berichtet, dass die „Retter keine Chance“ hatten zu erkennen, in welche Gefahr sie sich begaben (Quelle: www. LN-ONLIN.de).
In den zurückliegenden Monaten sind Brände von Fahrzeugen mit Elektroantrieb in den Fokus der Medien geraten. Gerät ein Hochvoltakkumulator in Brand, so können meterlange Stichflammen entstehen. Eine aktuelle Entwicklung im Bereich der LKW ist der zunehmende Einsatz von tiefkalt verflüssigtem Erdgas (LNG: Liquefied Natural Gas), welches bei Temperaturen von ungefähr –162 ºC in den Kraftstoffbehältern mitgeführt wird. Mit Förderprogrammen verfolgt die Bundesregierung aktuell das Ziel, bis 2025 25.000 LNG-LKW auf die deutschen Straßen zu bringen (Bild 2, 3).
Langfristig sind viele verschiedene alternative Antriebe jedoch wichtig für den Klimaschutz im Straßenverkehr. Weitere Alternativen, wie beispielsweise die Brennstoffzelle und Wasserstofflogistik, werden auch aus Gründen der CO2-Reduktion an Bedeutung gewinnen. Tatsächlich sind inzwischen die zur Gefahrenabwehr notwendigen Detailinformationen für eine erfolgreiche und sichere Einsatzabwicklung derart komplex, dass sie sich nicht mehr jeder Einsatzkraft als jederzeit abrufbares Fachwissen vermitteln lassen. Deshalb musste im zurückliegenden Jahrzehnt das Konzept zur Bereitstellung der notwendigen Einsatzinformationen grundlegend überarbeitet werden. Zunächst wurden seitens der Automobilindustrie sogenannte Rettungsleitfäden für einzelne Typengruppen erarbeitet und den Feuerwehren bereitgestellt. Allerdings wurde schnell deutlich, dass diese Dokumente zwar wichtige Informationen für Multiplikatoren und Experten der Feuerwehren lieferten, sodass die Ausbildung und Einsatzgrundsätze fortentwickelt werden konnten. Im akuten Einsatz konnten diese Rettungsleitfäden aber aufgrund ihrer Komplexität und der fehlenden Möglichkeit der schnellen und sicheren Zuordnung einer im Einsatzfall vorliegenden technischen Konstellation kaum weiterhelfen. Maßgeblich für den Einsatz der Feuerwehr vor Ort sind standardisierte Entscheidungshilfen und bewährte Handlungsabläufe nach den Feuerwehr- Dienstvorschriften (FwDV). Seitens der Verbände im Bereich des Feuerwehrwesens wurden darüber hinaus allgemeingültige Grundsätze für den Feuerwehreinsatz speziell für die technisch-medizinische Rettung aus PKW und im Zusammenhang mit alternativ angetriebenen KFZ geschaffen.
Relevante Dokumente sind:
- vfdb-Merkblatt „Einsätze an Kraftfahrzeugen mit alternativen Antriebsarten und -kraftstoffen“
- vfdb-Richtlinie 06-01 „Technischmedizinische Rettung nach Verkehrsunfällen“ und das dazu gehörige kostenlos verfügbare Merkblatt
- DGUV Information 205-022 „Rettungs- und Löscharbeiten an PKW mit alternativer Antriebstechnik“
Ergänzend wird in diesem Beitrag im weiteren Verlauf speziell auf die Einsatztaktik und Löschkonzepte bei Elektrofahrzeugen und auf den Umgang mit Elektrofahrzeugen nach Unfällen eingegangen. Um das Dilemma hinsichtlich der im akuten Einsatzfall seitens der Feuerwehren benötigten Experteninformationen aufzulösen, wurde in Zusammenarbeit von Feuerwehr, Automobilindustrie und mit Unterstützung des ADAC, des Kraftfahrtbundesamtes und zuständiger Ministerien die Möglichkeit der Kennzeichenabfrage und darauf basierender verwechslungssicherer Zuordnung eines fahrzeugtypspezifischen Rettungsdatenblattes mit den notwendigen Experteninformationen für die technische Rettung und Brandbekämpfung entwickelt. Als wichtigen Vorläufer des heutigen Rettungsdatenblattes machte der ADAC die Rettungskarte bekannt. Allerdings konnte bei dem zunächst vorgeschlagenen „System Rettungskarte“ die verwechslungssichere Zuordnung zum Fahrzeug und der sichere Zugriff auf die Informationen durch die Helfer vor Ort noch nicht befriedigend gelöst werden.
Kennzeichenabfrage und Rettungsdatenblätter
Demgegenüber wird nun bei Anwendung des Systems der Kennzeichenabfrage möglichst bereits bei der Abfrage des Notrufes 112 das Fahrzeugkennzeichen ermittelt. Die Leitstelle hat dann die Gelegenheit, über eine Datenbankabfrage auf der Rechtsgrundlage des 2013 entsprechend angepassten § 35 (1a) des Straßenverkehrsgesetzes (STVG) mittels des KFZ-Kennzeichens auf Daten über Beschaffenheit, Ausrüstung und Identifizierungsmerkmale des KFZ zuzugreifen. Den Einsatzkräften der Feuerwehr und des Rettungsdienstes kann auf dieser Basis bereits auf der Anfahrt zur Einsatzstelle das exakt zum betroffenen PKW gehörende Rettungsdatenblatt verwechslungssicher zur Verfügung gestellt werden (Bild 5, 6).
Aus dem Rettungsdatenblatt lassen sich die relevanten Informationen zur Antriebsart und der Ausstattung und Anordnung von passiven und aktiven Sicherheitseinrichtungen und weitere für die Abwehr der konkret vorliegenden Gefahren relevante Informationen entnehmen. Eine sichere und effektive Einsatzabwicklung bei Bränden, Hilfeleistungen und der medizinischen Rettung kann so in hohem Maße sichergestellt werden. Die ersten Bundesländer, welche vergleichbare Systeme für den Feuerwehreinsatz flächendeckend ermöglichten, waren Sachsen und Berlin. Ein Schwachpunkt des Systems ist noch der Fall, dass nicht immer die Abfrage des Kennzeichnens direkt in der Notrufsituation gelingen kann. Um dies zu verbessern und auch Ersthelfern Informationen bereitzustellen, wurde inzwischen das Bundesverkehrsministerium aktiv. Gemeinsam mit Experten aus den Feuerwehren, den Innenministerien und den Verbänden der Automobilindustrie wird nun eine einfache und bundesweit anwendbare Möglichkeit gesucht, durch Auswertung des KFZ-Kennzeichens am Einsatzort das Rettungsdatenblatt verwechslungssicher zuzuordnen.
- Da ein KFZ-Kennzeichen physikalisch sehr ähnliche Eigenschaften wie ein Strich- oder QR-Code besitzt, erscheint dies mittels handelsüblicher Smartphones und einer angepassten App darstellbar zu sein. Diese würde dann einfach aus der Entfernung auf eines der KFZ-Kennzeichen gerichtet und würde im Idealfall das zugehörige Rettungsdatenblatt verwechslungssicher anzeigen (Bild 4).
- Ebenso ist es wichtig, so schnell wie möglich die technischen Voraussetzungen zu schaffen, dass aus dem inzwischen für Neufahrzeuge europaweit vorgeschriebenen automatischen Notrufsystem eCall die Zuordnung zum Rettungsdatenblatt automatisiert generiert wird.
- Ebenso müssen zukünftig nicht in Deutschland zugelassene KFZ in das System der Kennzeichenabfrage einbezogen werden. Erste Voraussetzungen sind mit der internationalen Standardisierung des Rettungsdatenblattes in den Normen „ISO 17840-1:2015 – Road vehicles – Information for first and second responders – Part 1: Rescue sheet for passenger cars and light commercial vehicles“ und „ISO 17840-1:2015 – Road vehicles – Information for first and second responders – Part 2: Rescue sheet for buses, coaches and heavy commercial vehicles“ geschaffen.
Schwerpunkt: Elektrofahrzeuge
Im Rahmen einer klimaverträglicheren Mobilität spielt der emissionsarme Verkehr eine zunehmende Rolle. Reine Elektro-PKW und hybride Antriebskonzepte mit Elektromotoren und Hochleistungsbatterien als Energiespeicher sind zunehmend anzutreffen. Die Elektromobilität wird zukünftig möglicherweise einen prägenden Anteil im Rahmen der Mobilität darstellen.
Spezielle Einsatztaktik und Löschkonzepte bei Elektrofahrzeugen
Die Einsatzzahlen mit Beteiligung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen nehmen zu. Hieraus ergeben sich auch Fragestellungen zu den Gefahren und sicheren Löschverfahren von Fahrzeugbränden, bei denen insbesondere auch Lithium-Ionen- Akkus vom Brandgeschehen betroffen sind. In diesem Zusammenhang wurde in verschiedenen Medien berichtet, dass einige Feuerwehren Schwierigkeiten bei der Bekämpfung derartiger Brände hatten bis hin zu Aussagen, dass derartige Brände „nicht zu löschen seien“. Die Erfahrungen der Berliner Feuerwehr zeigen demgegenüber, dass bei Bränden von KFZ mit Lithium-Ionen-Akkus diese meist so rechtzeitig bekämpft werden konnten, dass die Lithium-Ionen-Akkus nicht in Brand gerieten und keine kritischen Reaktionen zeigten (Bild 7).
Anders sah dies in den wenigen Fällen aus, sofern der Brand während des Ladevorgangs entstand und von dem Akku ausging. In diesen Fällen gab es überdurchschnittliche Löschwasserverbräuche und die Gefahrenabwehr nahm eine längere Zeit in Anspruch. Tatsächlich unterscheidet sich die Brandbekämpfung von Fahrzeugbränden mit Lithium-Batterien jedoch nicht wesentlich von Fahrzeugbränden konventionell angetriebener Fahrzeuge (zum Beispiel Benzin- oder Dieselfahrzeuge). Um bestehende Unsicherheiten bei einigen Feuerwehren abzubauen und die Handlungssicherheit zu erhöhen, haben Fachleute verschiedener Feuerwehren, die DEKRA, der VDA und VDIK, die vfdb und andere Institutionen gemeinsam mit der DGUV die folgende Information erarbeitet: DGUV, Sachgebiet Feuerwehren und Hilfeleistungsorganisationen — Fachbereich AKTUELL „Hinweise für die Brandbekämpfung von Lithium-Ionen-Akkus bei Fahrzeugbränden“
Parallel hierzu läuft seitens der Automobilindustrie und namhafter Feuerwehrausrüster die Entwicklung von Einsatzmitteln zur Optimierung des Löscherfolges bei Bränden von Lithium- Ionen-Akkus. Aufgrund der weitgehend wasserdichten Gehäuse ist bisher die Bekämpfung von Bränden dieser Akkus in etlichen Fällen mit einem hohen Einsatz von Löschwasser und Zeitbedarf verbunden. Durch neue Entwicklungen soll den Feuerwehren ermöglicht werden, das Löschwasser mittels sicherer Verfahren in die Akkus einzubringen. Mit ersten praxistauglichen Lösungen wird zeitnah gerechnet.
In diesem Zusammenhang ist auch der Umgang mit dem eingesetzten Löschwasser zu betrachten. Wie auch bei allen Fahrzeugbränden bisheriger Technologien ist die Verunreinigung durch die hohe Verdünnung beim ausreichenden Löschwassereinsatz vergleichbar gering, sodass im Regelfall eines PKW-Brandes die direkte Einleitung in die Abwassersysteme erfolgt. Besondere Schutzmaßnahmen sind allerdings angezeigt, sofern Löschmittel derart eingesetzt wird, dass eine Anreicherung von Schadstoffen in ihnen nicht auszuschließen ist. Dies kann unter anderem der Fall sein, sofern komplette, vom Brand betroffene Fahrzeuge vor Ort in Container eingebracht werden, die mit Lösch- oder Kühlwasser befüllt werden. Ein weiteres aktuelles Problem ist der Fall, dass ein Brand entsteht, während das Fahrzeug an eine Ladesäule angeschlossen ist. Insbesondere bei Ladesäulen im öffentlichen Raum ist derzeit noch kein einheitliches Verfahren zur Notabschaltung etabliert. Hier sind zeitnah Verbesserungen notwendig. Zwar ist bei den Elektrofahrzeugen für den Straßenverkehr kein höheres Gefährdungspotenzial als bei Fahrzeugen mit konventionellen Antriebssystemen zu erkennen. Trotzdem ist zu beobachten, dass bei allen PKW-Konzepten im Durchschnitt die Brandlasten pro PKW zunehmen (Bild 8). Hieraus resultieren möglicherweise anwachsende Risiken, zum Beispiel in unterirdischen Verkehrsanlagen, die einer wachsamen Beobachtung aus Sicht der Gefahrenabwehr bedürfen.
Demgegenüber steht bei einer nach dem Baurecht errichteten Garage das Abstellen und Aufladen von Elektrofahrzeugen nicht im Widerspruch zu den Anforderungen des Brandschutzes, denn im Bauordnungsrecht sind die brandschutztechnischen Schutzziele auch für moderne Elektrofahrzeuge ausreichend berücksichtigt. Allerdings lassen sich im Umfeld der zunehmenden Elektromobilität neue Herausforderungen für den Brandschutz erkennen, so beispielsweise bei der Lagerung und Bereitstellung von Lithium- Ionen-Akkus, insbesondere in größeren Mengen und auf engem Raum.
Ein Hinweis auf die ASR A2.2 „Maßnahmen gegen Brände“ erscheint hier sachgerecht.
Da es darüber hinaus für die Lagerung und Bereitstellung von Lithium-Ionen- Batterien bisher keine öffentlichrechtlichen Vorschriften gibt, haben die deutschen Versicherer (GDV) die Publikation „VdS 3103: 2019-06 — Lithium-Batterien“ zur Schadenverhütung herausgegeben und darin spezifische Sicherheitsregeln bekannt gegeben.
Auch bei Anwendungen von elektrischen Antrieben bei Booten und Schiffen sind noch Fragen offen. Hier erscheint die Herstellung eines hohen Sicherheitsniveaus als schwieriger, wohl auch aus dem Grunde, dass hier bisher weniger sicherheitstechnisch weit entwickelte Großserienlösungen als eher individuelle Einzelfalllösungen anzutreffen sind, bei denen das Erreichen eines hohen Sicherheitsniveaus verhältnismäßig aufwändig erscheint. Auch der Fährtransport von Elektrofahrzeugen bedarf der Betrachtung. Aktuelle Untersuchungen zielen auf die Möglichkeiten zur Anwendung von Löschdecken oder Wassernebellöschanlagen zur Verbesserung des Brandschutzes während des Seetransportes.
Umgang mit Elektrofahrzeugen nach Unfällen
Um den Beteiligten bei Einsätzen, die das Bergen von verunfallten Fahrzeugen mit Hochvolt-Systemen umfassen, weitere Handlungsempfehlungen zu geben, wurde das Dokument vfdb-Merkblatt 06-04 „Unfallhilfe und Bergen bei Fahrzeugen mit Hochvolt-Systemen“ in der VDA Projektgruppe „Bergen von verunfallten Fahrzeugen mit Hochvolt- Systemen“ zusammen mit dem VDIK, den Verbänden der Feuerwehren und anderen Experten erarbeitet. Es beantwortet typische Fragestellungen, die im Umgang mit verunfallten Fahrzeugen mit Hochvolt-Energiespeichern und -Antrieben auftreten. Hierzu gehören Hinweise zur Erkundung und insbesondere der Fahrzeugidentifizierung, einer möglichen elektrischen Gefährdung durch Hochvolt-Energiespeicher und der verbauten 48-Volt-Systeme, chemischer und thermischer Gefährdung durch Brand, aber auch besonderer Szenarien, wie beispielsweise der Fall, dass ein KFZ in ein Gewässer gerät.
Um die Gefahrenabwehr erfolgreich durchzuführen, ergibt sich für die Feuerwehren die Notwendigkeit, ihre Ausstattung punktuell zu ergänzen. So wurden durch den Normausschuss Feuerwehrwesen (FNFW) inzwischen die Beladung der Rüstwagen der Feuerwehr durch eine elektrisch isolierende, schmiegsame Abdeckung ergänzt, um im Notfall spannungsführende Teile eines Fahrzeugs abschirmen zu können. Weitere vielfältige Ausrüstungen für die Gefahrenabwehr an Elektrofahrzeugen werden derzeit erprobt, konnten sich jedoch noch nicht etablieren. Insbesondere Ausstattungen, die den Feuerwehren eine schnellere und effizientere Einsatzabwicklung bei vom Brand oder Thermal Runaway (siehe Erläuterung rechts) betroffenen Hochvoltakkus ermöglichen, werden benötigt.
Thermal Runaway Durch äußere oder innere Beschädigung des Gehäuses oder der innen liegenden Separatoren, Eindringen von Fremdkörpern oder -stoffen, elektrische Überbelastung und thermische Belastung von außen kann der Lithium-Ionen-Hochvolt- Akku in einen kritischen Zustand geraten. Im Inneren des Akkus kann es dann zu heftigen chemischen und thermischen Reaktionen kommen, die zur Freisetzung von Reaktionsprodukten wie Fluorwasserstoffen und Phosphorsäure kommen. Die Vorgänge sind an zischenden, gurgelnden oder rasselnden Geräuschen und oft am Austritt von hellem Rauch erkennbar. Man spricht dann auch vom thermischen Durchgehen („Thermal Runaway“) des Akkus. Beachtenswert ist, dass diese Vorgänge auch noch Stunden nach der initialen Einwirkung auf die Akkus einsetzen können.
Aus diesen Gründen sind Elektrofahrzeuge mit potenziell beschädigten Batterien nach der Beendigung des Feuerwehreinsatzes in solchen Fällen gesichert abzustellen oder besser direkt an ein geeignetes Abschlepp- oder Bergungsunternehmen zu übergeben. Von potenziell beschädigten Batterien ist zum Beispiel in schwer havarierten Fahrzeugen, Fahrzeugen mit massivem Frontschaden, Seitenschaden (Bild 9) oder Heckschaden sowie stark deformiertem Unterboden auszugehen. Aber auch bei unsicherem Zustand bzw. beim Aufleuchten der Hochvoltwarnleuchte, ausgelösten Airbags oder Temperaturerhöhung des Energiespeichers sollten die Fahrzeuge unverzüglich in Quarantäne gesetzt werden. Dabei wird der Einsatzleiter der Feuerwehr nach Möglichkeit die anwesende Polizei und über diese oder direkt den Abschleppunternehmer informieren, dass es sich bei dem havarierten Fahrzeug um ein Elektrofahrzeug handelt. Dabei ist es von Vorteil, wenn das Abschleppunternehmen — so vorhanden — einen Mitarbeiter mit Qualifikation Stufe 2S nach DGUV-Information 209-093 „Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen“ einsetzt, sodass dieser aufgrund der dann vorliegenden Qualifikation als Fachkraft im Bereich der HV-Systeme das Fahrzeug spannungsfrei schalten und den Zustand bewerten kann. Da von beschädigten Elektrofahrzeugen, insbesondere bei Bautypen mit Lithium- Ionen-Akkumulatoren, erhebliche Gefahren ausgehen können, ist das Einrichten eines gesicherten Abstellplatzes ggf. bereits an der Einsatzstelle notwendig. Hier kann das Fahrzeug bis zur Abholung durch einen Fachbetrieb sicher verwahrt werden. Auf dem Gelände des Bergungsunternehmens sollen die betroffenen Elektrofahrzeuge auf einer dafür zumindest temporär zur Verfügung gestellten und befestigten Abstellfläche, einem sogenannten Quarantäneplatz, mit ausreichend Abstand zum Schutz von Gebäuden, anderen Fahrzeugen, Batterien, Gefahrenquellen abgestellt werden.
Bergungsunternehmen wird empfohlen, eine nichtbrennbare versiegelte Fläche einzurichten. Sollte kein den Anforderungen entsprechender Platz auf dem Betriebsgelände vorhanden sein, sind Alternativlösungen vorzuhalten. Dies können zum Beispiel Brandschutzdecken, feuerfeste Absperrwände, geeignete Wassernebellöschanlagen oder Brandschutzcontainer sein. Weitere wichtige Punkte sind die Gewährleistung einer frühzeitigen Branderkennung und die Kennzeichnung der Abstellfläche sowie des Fahrzeugs. Eine weitere Anforderung an die Quarantänefläche ist der Schutz des Elektrofahrzeuges vor Feuchtigkeit. Bei Bedarf sind Auffangwannen einzusetzen. Auch wenn der Zugang zu einer derartigen Quarantänefläche gegen unbefugte Personen gesichert sein soll, ist die Zugänglichkeit für Einsatzfahrzeuge zu gewährleisten.
Schulungskonzepte zu Elektrofahrzeugen
Die Schulung in der Feuerwehr liegt in der Verantwortung von Ländern, Kommunen und Gemeinden. Inzwischen haben die dort angesiedelten Ausbildungseinrichtungen erste Schulungskonzepte zur Einsatzabwicklung mit Elektrofahrzeugen entwickelt. Wichtige Grundlagen hierfür sind die oben genannten Dokumente der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (vfdb), der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF) und des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV). Die meisten dieser Unterlagen wurden in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden der Automobilindustrie (VDA, VDIK) erarbeitet und bei Bedarf fortgeschrieben. Zu den wesentlichen Inhalten dieser Schulungskonzepte gehören das Erkennen von Hochvoltfahrzeugen, der Umgang mit den Rettungsdatenblättern, der prinzipielle Aufbau von Hochvoltsystemen und der zugehörigen Sicherheitseinrichtungen, die spezifischen Einsatzmaßnahmen und Einsatztaktiken, insbesondere bei mechanischer Beschädigung oder Erwärmung eines Hochvoltakkumulators. Wichtige Verfahren sind dabei die Sicherung des Fahrzeugs, die Überprüfung der Spannungsfreiheit und die Temperaturüberwachung (Bild 10). Örtliche Besonderheiten gibt es zum Beispiel bei den speziellen Ladeinfrastrukturen des öffentlichen Personennahverkehrs, die noch oft ortsspezifische Sonderlösungen im Zuge der Gefahrenabwehr erfordern.
Karsten Göwecke, Diplom-Physiker, Leitender Branddirektor Berliner Feuerwehr