Überleitung zum Beitrag aus 3/2024 Der nachfolgende Beitrag ergänzt als zweiter Teil die in Ausgabe 3/2024 vorgestellte Fortschreibung der Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (MHolzBauRL). Während im ersten Teil überwiegend auf die reinen Anforderungen zur Konkretisierung der bauordnungsrechtlich möglichen Holzbauweisen eingegangen wurde, soll der zweite Teil nun die zur Erfüllung notwendigen Nachweisführungen näher beleuchten. Gerade in diesem Bereich konnte auf den „letzten Metern“ der Richtlinienarbeit durch die Projektgruppe noch Entscheidendes für eine benutzerfreundliche Anwendbarkeit weiterentwickelt werden. Während in den letzten fünf Jahren seit Bekanntmachung der ersten Version der MHolzBauRL 2020 [1] die Nachweisführung zu Holzbauteilen immer undurchsichtiger und damit auch schwieriger wurde, scheint jetzt das Ziel „Einfachheit und Ordnung“ wieder in Sicht zu sein.
Abschließend wird noch auf die Grundlagen der Fortschreibung eingegangen, die wesentliche Bausteine liefern konnten.
01 DER LEISTUNGSNACHWEIS VON BAUTEILEN UND BEKLEIDUNGEN
Bis zum Schluss spannend bleibt, wie sich die Regelungen auf der Nachweisseite entwickeln. Auch zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Beitrags ist noch nichts Abschließendes bekannt.
Mit Einführung der MHolzBauRL im Jahr 2020 wurde seitens der Bauaufsicht angenommen, dass die Richtlinie als übergeordneter Rahmen für die „Holz-“Bauarten gilt und sich über die eingeführten Technischen Baubestimmungen DIN 4102-4 [2] und DIN EN 1995-1-2 [3] aus brandschutztechnischer Sicht alle Nachweise erbringen lassen. Demzufolge wurden aus der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) sowohl die bis zu diesem Zeitpunkt genutzten Prüfzeugnisse (für hochfeuerhemmende Bauprodukte) nach Punkt C 3.21 gestrichen, als auch aus den „normalen“ Prüfzeugnissen für Bauarten nach MVV TB Punkt C 4.1 (Grafik 1) die Bauteile im Geltungsbereich der MHolzBauRL ausgenommen.
Leider hat sich die Annahme dahingehend nicht bestätigen lassen, als dass die vorgesehenen Technischen Regeln genügend Nachweismöglichkeiten abseits der altbewährten Prüfzeugnisse bereitstellen können.
In der Praxis führt dies nun zu erheblichen Problemen in der Nachweisführung der Bauteile. Mit einer Laufzeit von fünf Jahren sind aktuell auch nahezu alle Prüfzeugnisse abgelaufen und können wegen des Ausschlusses (vgl. Grafik 1) nicht mehr verlängert werden. Ohne eine zeitnahe Lösung werden damit wohl in naher Zukunft die Mittel der vorhabenbezogenen Bauartgenehmigung (vBG) und Zustimmung im Einzelfall (ZiE), welche ursprünglich als in seltenen Fällen anzuwendende Nachweisformen für innovative bzw. außergewöhnliche Bauweisen vorgesehen sind, zu einem Standardnachweisverfahren entwickelt werden müssen. Zu befürchten wäre dann, dass dieser Umstand zu einer noch höheren Belastung für die Obersten Baubehörden der Länder führt. Die Obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder sind derzeit sehr bemüht, eine Übergangslösung zu finden und bereitzustellen.
Grundsätzlich stellt sowohl die aktuelle Muster-Holzbaurichtlinie als auch deren Fortschreibung, sobald diese eingeführt ist, unverändert die Grundlage für den Nachweis der Bauart nach § 85a (1) Satz 1 MBO dar (vgl. Grafik 2 mit Darstellung für den aktuellen Stand der Richtlinie von 2020 – analog aber auch anwendbar auf die Fortschreibung).
Für Holzbauelemente ist zunächst entsprechend Abschnitt 3.2 der MHolz- BauRL 2020 die Feuerwiderstandsdauer zur Standsicherheit im Brandfall und / oder zum Raumabschluss über den je nach Gebäudeklasse erforderlichen Zeitraum von 60 oder 90 Minuten nachzuweisen. Unabhängig davon ist ein ausreichender Schutz gegen Entzündung der brennbaren Konstruktionselemente nach Abschnitt 4.2 (Holztafelbau) bzw. Abschnitt 5.2 (Massivholzbau) der MHolzBauRL 2020 nachzuweisen.
Hier stellt die Richtlinie vereinfacht tabellarische Vorgaben für Gipskartonfeuerschutz- bzw. Gipsfaserbekleidungen zur Verfügung. Die Fortschreibung regelt dahingehend nahezu analog, jedoch zusammengefasst ohne Unterscheidung der Bauweisen.
Neben dem Nachweis über die eingeführten Technische Baubestimmungen (ETB), d.h. DIN EN 1995-1-2 oder DIN 4102-4, bietet die Holzbaurichtlinie auch die Möglichkeit des Nachweises über § 16a MBO (Bauartgenehmigung) bzw. §16c MBO (Europäischer Produktnachweis) an. Der Nachweis des Raumabschlusses kann künftig sogar unter bestimmten Randbedingungen zudem auch vereinfacht über Vorgaben nach Anhang 1 der fortgeschriebenen Holzbaurichtlinie (MHolzBauRL 2023) geführt werden. Lässt man den zuletzt erwähnten vereinfachten Nachweis außer Acht, stehen damit theoretisch zunächst drei Nachweisformen (ETB, §16 a und §16 c) zur Verfügung. Grafik 3 zeigt die in Diskussion stehenden Nachweisformen, wobei hier noch davon ausgegangen wird, dass die allgemein bauaufsichtlichen Prüfzeugnisse wieder „gängig“ gemacht werden.
Betrachtet man alle dargestellten Nachweisformen im Detail, so stellen sich leider alle Nachweisformen als problembehaftet dar.
Während die aktuell als Technische Baubestimmung eingeführte DIN 4102-4 mit wenigen Varianten und nur eingeschränkten Ausnutzungsgraden bezüglich der Standsicherheit im Brandfall nur bedingt geeignete Konstruktionen enthält, sind im Eurocode 5 die rechnerischen Nachweise überwiegend auf maximal 60 Minuten begrenzt und damit für Konstruktionen zum Einsatz innerhalb Gebäudeklasse 5 für Bauteile anstelle feuerbeständig nicht brauchbar.
Eine zusätzliche Nachweisvariante über Brandversuche wird in DIN EN 1995-1-2 Abschnitt 2.4.1 (6) aufgeführt. Diese wird über die MVV TB nicht explizit ausgeschlossen und wäre somit aus Sicht des Autors dieses Beitrages und anderen Experten bereits abschließend geregelt, jedoch wird sie seitens weniger Vertreter der Obersten Bauaufsichten derzeit noch intensiv und kritisch hinsichtlich ihrer lückenlosen Anwendbarkeit diskutiert. Mit allgemeiner Akzeptanz dieser Nachweismöglichkeit würde sich der Weg in Richtung Europa weiter öffnen und die aktuell bestehenden Problemstellungen könnten, insbesondere in Kombination mit dem nachbeschriebenen Nachweisweg für Brandschutzbekleidungen, vollumfänglich gelöst werden. Für die Fortschreibung der MHolzBauRL wurde letztbeschriebener Weg als anzuwendende Nachweisform nun konkretisiert.
Die Nachweisführung über das Europäische Bauprodukt wird verschiedentlich ebenfalls kontrovers gesehen: Der Nachweis von Feuerwiderständen kann formal erst als Bauart unter Berücksichtigung von Anschlüssen etc. erfolgen und ist somit im Rahmen der Leistungsbeschreibung eines Bauproduktes umstritten. Dennoch gibt es zahlreiche Europäische Technische Zulassungen (ETAs), welche Feuerwiderstände für die Elemente als Bauprodukt ausweisen. Aus Sicht des Autors bestehen hinsichtlich dieser Nachweisform, insbesondere der Anschlussproblematik, keine sicherheitstechnischen Bedenken, solange diese Nachweise im Rahmen der Richtlinie unter Anwendung der darin geregelten Anschluss- und sonstigen Vorgaben verwendet werden. Es besteht somit in diesem Zusammenhang auch kein zusätzlicher „Regelungsmehrwert“ für die, neben der ETA seitens des DIBT regelmäßig als erforderlich angesehene, allgemein bauaufsichtliche Bauartgenehmigung. Selbstverständlich vorausgesetzt, dass die jeweilige Leistungserklärung der ETA direkt den Feuerwiderstand (REI) ausweist oder die ETA unter Verwendung von spezifischen Abbrandraten ein entsprechendes Berechnungsmodell zu Verfügung stellt.
Für den Nachweis der erforderlichen Bekleidung zum Schutz vor Entzündung der brennbaren Konstruktionsbestandteile (Brandschutzbekleidung) ergibt sich ein ähnliches Bild. Hier stehen ebenfalls prinzipiell die nach Grafik 4 dargestellten Möglichkeiten zur Verfügung.
Eine Regelung über das zum momentanen Zeitpunkt nicht vorgesehene (und deshalb in Grafik 4 auch nicht dargestellte) allgemein bauaufsichtliche Prüfzeugnis würde als zentrale Herausforderung eine Kombination aus einer nationalen F-Klassifizierung zum Feuerwiderstand des Bauelementes mit der europäischen Klassifizierung zur Beurteilung der Brandschutzbekleidung bedingen. Dies sieht das nationale Baurecht jedoch nicht vor, was in der Konsequenz für einen vollständigen Wechsel auf das europäische Klassifizierungssystem für alle nachzuweisenden Leistungen von Bauteilen und Baustoffen spricht. Immerhin wurde dies bereits im Rahmen der hochfeuerhemmenden Bauteile in den Jahren 2004 bis 2020 bauordnungsrechtlich schon so praktiziert (hier REI 60 K260), wenn auch damals noch formal eingebettet in allgemein bauaufsichtliche Prüfzeugnisse.
Bezüglich des Ansatzes der früher verwendeten „K2-Leistungsklassifizierung“ von Brandschutzbekleidungen konnte festgestellt werden, dass diese Leistung mindestens gleichwertig zur künftigen tch-Leistung ist und deshalb bei gleicher Minutenanzahl gegen eine Anwendung kein Einwand bestehen darf (K2XX entspricht mindestens tch = XX min). Im Rahmen von K2-Klassifizierungen wurden neben dem reinen Erreichen der Entzündungstemperatur von Holz (ca. 300 °C) auch die Verfärbung bzw. Verkohlung des dahinterliegenden brennbaren Materials beurteilt. Im Rahmen der Fortschreibung konnte jedoch Einigkeit darüber erzielt werden, dass die reine Temperaturbetrachtung der tch-Klassifizierung (charring) ein ausreichendes Schutzniveau bietet. K2 wird somit künftig in Deutschland nicht mehr verwendet werden.
Welche Nachweisformen sich schlussendlich für die Festlegung in der MVV TB 2026 ergeben werden, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Zu hoffen bleibt aus Sicht des Autors, dass sich die Bauaufsicht weiter den europäischen Nachweismöglichkeiten öffnen wird, um so eine nutzerfreundliche Anwendbarkeit der MHolzBauRL zu ermöglichen.
02 WAS WAREN DIE WESENTLICHEN GRUNDLAGEN FÜR DIE FORTSCHREIBUNG?
Wesentliche Grundlagen für die Richtlinienarbeit waren in erster Linie die zuletzt durchgeführten Forschungsvorhaben. Vorrangig ist das Projekt TIMpuls [4] zu nennen, bei dem eine Vielzahl von zuvor nur im Labormaßstab untersuchten Fragestellungen unter Realbrandbedingungen verifiziert werden konnten. Die Holzbauverbände haben mit dem sog. Eigenanteil für geförderte Forschungsvorhaben hierzu einen sehr wichtigen Beitrag geleistet.
Darüber hinaus sei auch die „Holzbauoffensive Baden-Württemberg“ genannt, die mit ihren beauftragten Forschungsvorhaben zur Entwicklung einer Richtlinie für Konstruktionen in Holzbauweise, insbesondere [5] und [6], großen Input liefern konnte.
An dieser Stelle sei nochmals Dank an alle Beteiligten für ihr großes Engagement ausgesprochen. Auch ist das große Engagement der Mitglieder der Projektgruppe MHolzBauRL für die Fortschreibung als maßgebliche Erfolgsgrundlage zu nennen.
FAZIT UND AUSBLICK
Die Forschungsarbeiten und der mittlerweile dreijährige Einsatz der Projektgruppe MHolzBauRL haben sich gelohnt! Die Fortschreibung der Richtlinie wird den mehrgeschossigen Holzbau und damit das klimagerechte Bauen wieder einen entscheidenden Schritt nach vorne bringen. Dies ist gewiss! Die Richtlinie ist als Grundlage für alle Planenden und Ausführenden anzusehen. Sie enthält nicht nur die Lösungen für einen Neubau, sondern bietet auch Vorgaben für Teilmaßnahmen, wie Aufstockungen von Gebäuden oder energetische Sanierungen.
Um das Paket vollständig umsetz- und anwendbar zu machen, werden neben der reinen Richtlinienarbeit auch die mit ihr in Verbindung stehenden Regelwerke, wie die relevanten Teile der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen, durch die Projektgruppe mit bearbeitet. Zudem erfolgt auch parallel die Überarbeitung der Technischen Baubestimmung DIN 4102-4 als sogenanntes A1-Papier, sodass hier weitere Nachweismöglichkeiten für den Feuerwiderstand von Holzbauteilen zur Verfügung gestellt werden können.
Dr. Michael Merk
Technische Universität München, Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion
Materialprüfamt für das Bauwesen
Prüfsachverständiger für Brandschutz
FIRE & TIMBER .ING GmbH, München
LITERATUR | QUELLENANGABEN
[1] Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (MHolzBauRL), Fassung Oktober 2020, veröffentlicht durch die Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz
[2] DIN 4102-4:2016-05 – Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile
[3] DIN EN 1995-1-2:2010-12 – Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten – Teil 1-2: Allgemeine Regeln – Tragwerksbemessung für den Brandfall
[4] Engel, Thomas & Brunkhorst, Sven & Steeger, Felix & Butscher, Daniel & Kurzer, Christoph & Werther, Norman & Winter, Stefan & Zehfuß, Jochen & Kampmeier, Björn & Neske, Michael. (2022). Schlussbericht zum Verbundvorhaben TIMpuls – Brandschutztechnische Grundlagenuntersuchung zur Fortschreibung bauaufsichtlicher Regelungen im Hinblick auf eine erweiterte Anwendung des Holzbaus.
[5] Dederich, L., et al.: Entwicklung einer Richtlinie für Konstruktionen in Holzbauweise in den Gebäudeklassen 4 und 5 gemäß der LBO B-W (HolzbauRLBW), Rottenburg / Neckar 2020
[6] Suttner, E.; Werther, N.; Dumler, P.: Stand der Technik zur Qualität von Bauteil- und Elementfugen in Holzbaukonstruktionen im Hinblick auf den Durchtritt von Feuer und Rauch, Technische Universität München