auf Dächern von Gewerbe- und Industriegebäuden
Um den Ausbau von PV-Anlagen auf Gebäuden und Freiflächen zu fördern, wurde im Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft gesetzt und damit eine auf 20 Jahre festgelegte Einspeisevergütung für neu installierte PV-Anlagen zugesagt. Dieses Gesetz wurde seither mehrmals geändert und die Förderbeträge angepasst. Seit ca. 2004 wurden PV-Anlagen auch auf Gewerbe- und Industrieobjekten in nennenswerter Zahl installiert und mussten somit bei der Risikobetrachtung des Sachversicherers bewertet und das von diesen Anlagen ausgehende Brandrisiko eingeschätzt werden. Im Jahr 2022 wurden PV-Module mit einer Gesamtleistung von etwa 7 GW installiert, dies entspricht etwa dem Zubau der Boomjahre von 2010 bis 2012. Diese 7 GW wurden in 2023 bereits im Juli erreicht, der gesamte Zubau in 2023 wird von der Bundesnetzagentur auf 14,1 GW geschätzt.
Durch Änderungen vieler Landesbauordnungen wird heute die Installation von PV-Anlagen auf gewerblich genutzten Gebäuden gefordert. Viele Betreiber von Produktionsbetrieben wollen aufgrund der massiven Preissteigerungen importierter fossiler Energieträger durch die Nutzung der vorhandenen Dachflächen regenerative Energie kostengünstig erzeugen.
Brandgefahren, ausgehend von PV-Anlagen
Bei der Auswertung von Brandereignissen in Ursachenstatistiken werden elektrische Anlagen immer wieder als häufigste Brandursache angegeben. Somit ist aus brandschutztechnischer Sicht eine PV-Anlage oberhalb eines brennbaren Dachaufbaus als mögliche Zündquelle anzusehen. Meist werden Produktmängel an den Komponenten der Anlage als Schwachpunkt genannt, z. B. Module oder Steckverbinder, aber gerade die immer wieder bei Besichtigungen auffälligen Installationsmängel können als mögliche Schadenursache nicht ignoriert werden.
Trotz aller Verbesserungen der Installationsmaterialien und der Betriebsmittel muss auch bei einer normgerecht aufgebauten und in Betrieb genommenen PV-Anlage mit einem Lichtbogen an Steckverbindern, Modulanschlussdosen oder in den Modulen selbst gerechnet werden.
Die heute gültigen baurechtlichen Anforderungen an Dachaufbauten „harte Bedachung“ berücksichtigen diesen Gleichstromlichtbogen als mögliche Zündquelle nicht. Hier ist der Planer einer PV-Anlage gefordert, die möglichen Gefährdungen zu bewerten und in Zusammenarbeit mit dem zukünftigen Betreiber und dem Sachversicherer des Gebäudes eine für alle Beteiligten tragfähige Lösung zu finden (Bilder 2 und 3).
Urteil OLG Oldenburg vom 23.09.2019 – 13 U 20/17
Im Jahr 2013 kam es zum Brand eines Elektronikmarktes in Wittmund. Mit dem Urteil des OLG Oldenburg wurde der Errichter der PV-Anlage für den Schaden in die Haftung genommen. Folgende Feststellung wurde im Urteil getroffen:
„Eine Dach-Photovoltaikanlage muss so installiert werden, dass eine sichere Trennung zwischen den elektrischen Komponenten als Zündquellen und der Dachoberfläche als Brandlast gewährleistet ist. Andernfalls muss die Montage unterbleiben. …
Die Nichtbeachtung der einschlägigen anerkannten Regeln der Technik ist kein Fall leichter Fahrlässigkeit.“
Mit diesem Urteilstext wäre nun die Installation von PV-Anlagen auf typischen Dachaufbauten in Industrie- und Gewerbeobjekten ausgeschlossen. Es ist jedoch zu beachten, dass durch das Gericht ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wurde und das Gericht den Feststellungen und der Argumentation des Sachverständigen gefolgt ist. Ein wesentlicher Punkt der Argumentation des Sachverständigen war hierbei eine Festlegung in der VDE Norm VDE 0100-100. Wie zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt wurde, enthielt dieser Teil der Norm einen gravierenden Übersetzungsfehler, der Fehler wurde 03/2022 korrigiert.
VDE 0100-100 Korrektur 03/2022
VDE 0100-100 „Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 1: Allgemeine Grundsätze, Bestimmungen allgemeiner Merkmale, Begriffe“.
Der fehlerhaft übersetzte Text lautete:
Alle elektrischen Betriebsmittel, die wahrscheinlich hohe Temperaturen oder elektrische Lichtbögen verursachen können, müssen so angebracht oder geschützt werden, dass kein Risiko der Entzündung von brennbaren Materialien besteht.
Dieser wurde durch die korrekte Übersetzung ersetzt:
Alle elektrischen Betriebsmittel, die wahrscheinlich hohe Temperaturen oder elektrische Lichtbögen verursachen können, müssen so angebracht oder geschützt werden, dass das Risiko der Entzündung von brennbaren Materialien minimiert wird.
Die fehlerhaft übersetzte Festlegung muss als absoluter Ausschluss von elektrotechnischen Installationen im Bereich von brennbaren Dachaufbauten interpretiert werden. Die korrigierte Version lässt die Möglichkeit risikominimierender Maßnahmen zu. Damit ist für brennbare Dachaufbauten allerdings klargestellt, dass allein die Einhaltung der normativen Anforderungen an die Installation und Komponenten unzureichend ist! Es sind darüber hinausgehende Maßnahmen zu planen und umzusetzen.
VdS Richtlinien
Die neu in 02-2023 herausgegebene VdS Richtlinie 6023 „Photovoltaik-Anlagen auf Dächern mit brennbaren Baustoffen“ soll Mitarbeitern der Versicherungswirtschaft und den Planern von PV-Anlagen eine Hilfestellung bei der Bewertung von Risiken einer Brandentstehung auf dem Dach durch die PV-Anlage geben und mögliche risikominimierende Maßnahmen aufzeigen. Die VdS 3145 „Photovoltaikanlagen“ wurde ebenfalls überarbeitet und soll 2024 erscheinen.
VdS 6023 – Mögliche Maßnahmen zur Risikominimierung
Bauliche Maßnahmen
- Austausch der Dachdämmung (brennbar → nicht brennbar);
- Aufbringen einer nicht brennbaren Trennschicht, z. B. Kiesschüttung, Blech, Mineralfaserdämmstoff
Technische Maßnahmen
- Installation eines Wechselrichters mit Gleichstrom-Lichtbogenerfassung und -unterbrechung nach UL1699B oder IEC/EN 63027 (mit der Bestätigung, dass diese aktiviert wurde – keine automatische Wiedereinschaltung)
Erläuterung:
Eine Fehlerlichtbogenschutzeinrichtung (AFPE) nach IEC 63027 erkennt einen Lichtbogen im DC-Kreis der PVAnlage und schaltet den betroffenen Strang ab. Diese Schutzeinrichtungen sollen zukünftig der europäischen Norm IEC (EN) 63027 entsprechen. Diese Norm liegt im Entwurf vor und soll kurzfristig fertiggestellt werden.
Die Schutzfunktion ist in den USA bei vielen PV-Anlagen seit Jahren vorgeschrieben und wird dort eingesetzt. Aus diesem Grund werden aktuell Fehlerlichtbogenschutzeinrichtungen nur nach der amerikanischen UL1699B (AFCI= arc fault circuit interrupter) zertifiziert. In den letzten Monaten begannen die meisten Hersteller von Wechselrichtern, diese Zusatzfunktion auch für den europäischen Markt anzubieten, für Geräte der höheren Leistungsklasse oftmals sogar kostenlos.
Hinweis:
Zurzeit besteht innerhalb der EU keine normative Verpflichtung zum Einsatz dieser Schutztechnik, daher liefern die Hersteller der Wechselrichter ihre Geräte mit deaktivierten Lichtbogendetektoren aus. Diese müssen durch den Inbetriebnehmer eingeschaltet werden! Aus Sicht der Sachversicherung ist eine Bestätigung des Kunden erforderlich, dass die Lichtbogenüberwachung aktiviert wurde. Ob eine automatische Wiedereinschaltung zugelassen werden kann, ist für jeden Anwendungsfall zu entscheiden.
Auch eine Lichtbogendetektion und Abschaltung kann nicht alle Brandrisiken durch technischen Fehler abdecken. Beispielsweise können ein doppelter Erdschluss oder eine gleichzeitige Beschädigung der Plus- und Minusleitung weiterhin zu einem nicht beherrschbaren Lichtbogen führen. Diese Fehler treten jedoch vergleichsweise selten auf und das Risiko kann durch einen fachgerechten Aufbau und eine ordnungsgemäße Instandhaltung minimiert werden.
Organisatorische Maßnahmen
Durchführung von zusätzlichen Instandhaltungsmaßnahmen mit regelmäßigen Prüfungen:
Aufschaltung und Auswertung von Störmeldungen aus Anlagenschutzeinrichtungen und Gefahrenmeldeanlagen:
Abschluss eines Wartungsvertrags mit einem PV-Fachbetrieb:
Der Sachversicherer kann einzelne oder Kombinationen verschiedener Maßnahmen fordern, um weiterhin den Versicherungsschutz für das zu bewertende Objekt bereitstellen zu können.
Die Einhaltung der normativen Anforderungen an die Installation ist dabei eine Grundvoraussetzung und muss vollständig erfüllt werden.
VdS-anerkannte Sachverständige für PV-Anlagen können nach erfolgter Installation eine Überprüfung der Anlage vornehmen und dem Betreiber eine Empfehlung zur Abnahme geben. Diesen Sachverständigenbericht kann der Sachversicherer anfordern und bewerten.
Installationsbedingungen der Modulhersteller
In den letzten Monaten fielen immer wieder Installationen von PV-Modulen auf, bei denen der Modulhersteller in seinen Installationsanleitungen die Installation über brennbaren Materialien einschränkt oder komplett untersagt.
Beispiele aus Installationsanleitungen:
„Werden Module auf Dächern montiert, muss das Dach über eine feuerfeste, für diesen Zweck geeignete Oberfläche verfügen.“
„Zur Dachinstallation sollten Module auf einer feuerfesten, für diese Anwendung geeigneten Abdeckung montiert werden.“
„Die Module einer Aufdachanlage müssen daher immer oberhalb eines feuerbeständigen Untergrundes angebracht werden.“
Die VDE 0100-100 fordert von der Elektrofachkraft eindeutig, dass diese Herstellervorgaben einzuhalten sind.
Auszug:
Elektrische Anlagen müssen fachgerecht von geeignetem qualifiziertem Personal und unter Verwendung von geeignetem Material errichtet werden. Elektrische Betriebsmittel müssen entsprechend den Angaben des Betriebsmittel-Herstellers errichtet werden.
Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, besteht für den Planer und den Installationsbetrieb im Schadenfall ein erhebliches Haftungsrisiko.
Löschanlagen, Branddetektion
Die Installation von PV-Anlagen auf Dachflächen hochwertiger und / oder schwer zugänglicher Industriegebäude, z. B. eines Hochregallagers, kann besondere Maßnahmen zur Branddetektion und Löschung erfordern.
Hersteller von Löschanlagen arbeiten zurzeit an Wasserlöschanlagen für diesen Einsatzfall. Vorstellbar ist ein Trockensystem, das durch eine automatische Brandmeldeanlage aktiviert werden kann. Für die Ansteuerung der Löschanlage sind linienförmige Wärmedifferentialmelder oder stationäre IR-Kameras denkbar. Diese Entwicklung wird von den Arbeitsgruppen des GDV beobachtet und ggf. in die Richtlinien mit aufgenommen.
Aktuelle Diskussion über Abstände zu Rauch- und Wärmeabzugsanlagen
Auf der Internetseite Feuertrutz wurde im November 23 ein Artikel veröffentlicht, der Versuchsergebnisse zur Einschränkung der Wirksamkeit von natürlichen Rauchabzugsanlagen (NRA) auf Dächern mit PV-Anlagen beschreibt.
Es muss demnach in Betracht gezogen werden, dass bei vielen Dachaufbauten je nach Anordnung der PV-Elemente eine Reduzierung der aerodynamisch wirksamen Entrauchungsfläche auftritt.
In der Veröffentlichung werden Reduzierungen von bis zu 45 % genannt. Damit ist die Einhaltung der baurechtlich geforderten Entrauchung des Objektes nicht mehr gewährleistet.
Unter diesem Aspekt sind die in der VdS 2098 und den vom FVLR Fachverband genannten Abstände von 2,5 m (Oberkante PV-Modul ragt nicht über die Oberkante der geöffneten NRWG hinaus) als zu gering anzusehen (Bilder 5a + 5b). Sollten jedoch größere Abstände erforderlich werden, hätte dies auch Auswirkungen auf bereits installierte Anlagen. Weitere Untersuchungen sind unbedingt erforderlich.
Ü20-PV-Anlagen
Die ersten PV-Anlagen der Baujahre 2000 und älter (Bild 6) liefen bereits 2021 aus der EEG-Förderung (Grafik 1). Meist handelte es sich dabei um Anlagen geringer Leistung, vermehrt auf Einfamilienhäusern. Durch eine Gesetzesänderung Ende 2020 wurde die Möglichkeit zum Weiterbetrieb der Anlagen geschaffen und so sind diese heute in der Regel noch in Betrieb. Die Bewohner nutzen einen großen Teil der erzeugten Energie für ihren Eigenbedarf. In den nächsten Jahren erreichen aber auch viele PV-Anlagen auf Industrie- und Gewerbedächern das Ende der festgelegten Förderung. Werden diese weiterbetrieben, müssen die Sachversicherer die Auswirkungen auf das versicherte Risiko bewerten.
Bisher nicht beachtete Brandgefahren durch Verschleiß und Bauteilausfall können für ein Industrie- und Gewerberisiko bestehen. Damit entsteht für den Versicherer ein höherer Aufwand zur Risikoprüfung.
Beispiele:
- Verschleißbedingte Mängel insbesondere an Kabel- und Leitungsanlagen liegen vor.
- Eine Abgrenzung von alterungsbedingten Defekten gegenüber äußeren Einflüssen ist nur teilweise möglich.
- Ertragsverluste durch Degradation der Module sind nicht kalkulierbar.
- Ersatzteile sind nicht mehr verfügbar, ggf. sind Umbauten erforderlich.
- Umbauten und Erweiterungen von Altanlagen (z. B. Erweiterung um einen Batteriespeicher) sind technisch anspruchsvoller und fehleranfälliger als die Erstellung einer Neuanlage.
Es ist zu beachten, dass bei den in den „Boomjahren“ 2010 bis 2012 installierten Anlagen viele Installationen mangelhaft ausgeführt wurden. Eine große Anzahl der damals tätigen Installationsbetriebe war fachlich und personell überfordert. Viele dieser Mängel wurden bis heute nicht beseitigt und stellen mit zunehmender Alterung eine deutliche Erhöhung des Brandrisikos dar.
LITERATUR
[1] VdS 3145 „Photovoltaikanlagen“
[2] VdS 6023 „Photovoltaik-Anlagen auf Dächern mit brennbaren Baustoffen“
[3] VDE 0100-712 „Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 7-712: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Photovoltaik-(PV)-Stromversorgungssysteme“
[4] VDE 0126-23-1 „Photovoltaik (PV)-Systeme – Anforderungen an Prüfung, Dokumentation und Instandhaltung Teil 1: Netzgekoppelte Systeme – Dokumentation, Inbetriebnahmeprüfung und Prüfanforderungen“
[5] VDE 0126-23-2 „Photovoltaik(PV)-Systeme – Anforderungen an Prüfung, Dokumentation und Instandhaltung Teil 2: Netzgekoppelte Systeme – Instandhaltung von PV-Systemen“
[6] MVB-036-2022-07 „PV-Anlagen, Brandschutztechnische Anforderungen bei Anbringung von PV-Anlagen auf Hallendächern mit Flächen größer 1.800 m2 oder bei Objekten mit automatischen Löschanlagen oder mit Sauerstoffreduktionsanlagen“ BVS – Brandverhütungsstelle für Oö. reg. Genossenschaft m.b.H.
[7] Feuertrutz Nov. 2023