Seit mehreren Jahren ist es das erklärte Ziel der jeweiligen Bundesregierung, den Anteil der elektrisch betriebenen Fahrzeuge im Straßenverkehr zu erhöhen. Durch die Bereitstellung massiver staatlicher Fördermittel und die Änderungen gesetzlicher Regelungen wurden nach Angaben des KBA in 2022 mehr als 800.000 Pkw mit Elektroantrieb zugelassen. Das entspricht etwa der Hälfte aller Neuzulassungen. Der Gesamtbestand beträgt damit 2,3 von etwa 48 Millionen Pkw. In den Statistiken werden meist die batteriebetriebenen Fahrzeuge (BEV), Plug-in-Hybrid- (PHEV) und Brennstoffzellenfahrzeuge (FC) als Elektrofahrzeuge (EV) zusammengefasst. Die aktuelle Zielvorgabe der Bundesregierung ist, dass bis 2030 mindestens 15 Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen sind und insgesamt eine Millionen Ladepunkte zur Verfügung stehen. Darüber hinaus rüsten die Nahverkehrsanbieter ihre Busflotten mit batterieelektrisch betriebenen Bussen aus und erste Lkw-Prototypen werden zurzeit erprobt. Nicht nur im Kfz-Bereich setzen sich Elektroantriebe durch, sondern auch das klassisch per Muskelkraft angetriebene Fahrrad wird heute vielfach mit einem elektrischen Unterstützungsantrieb ausgerüstet und so motorisiert. Nach Veröffentlichungen der Statista GmbH wurden 2021 zwei Millionen E-Bikes oder Pedelecs verkauft. Elektrofahrzeuge leisten einen wichtigen Beitrag zur Erreichung von Klimazielen und tragen wesentlich zur Reduzierung lokaler Schadstoff- und Lärmemissionen bei. Voraussetzung für die Akzeptanz dieser Fahrzeuge ist die Verfügbarkeit eines gut ausgebauten Netzes von öffentlich zugänglichen Ladepunkten auch in ländlichen Regionen Deutschlands. Ladepunkte für die Versorgung der E-Autos müssen im Bereich von Wohngebäuden und am Arbeitsplatz des Nutzers zur Verfügung gestellt werden. Für den Ausbau des öffentlichen Ladenetzes sowie für die private Ladeinfrastruktur standen in der Vergangenheit Fördergelder zur Verfügung. An die Versicherer werden in diesem Zusammenhang von privaten und öffentlichen Unternehmen die Fragen gestellt, unter welchen Umständen die Installation von Ladeplätzen in Bestandsgebäuden oder an den Fassaden der Gebäude zulässig ist. In vielen Betrieben soll den Mitarbeitern die Möglichkeit zur Ladung von privaten Fahrzeugen während der Arbeitszeit eingeräumt werden. Darüber hinaus hatten steuerliche Förderungen viele Betriebe dazu veranlasst, für den Außendienst teilweise oder vollständig elektrisch angetriebene Dienstfahrzeuge anzuschaffen (Bild 1).
NEUE TECHNOLOGIEN, GEÄNDERTE RISIKEN
Nach den Veröffentlichungen der Ergebnisse von Brandversuchen mit Elektrostraßenfahrzeugen kann davon ausgegangen werden, dass diese im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren grundsätzlich betrachtet eine vergleichbare Brandlast darstellen. Allerdings kann sich der Brandverlauf erheblich unterscheiden. So können beispielsweise die Akkus der Antriebsbatterien ausgasen und schlagartig durchzünden. Ein wesentlicher Unterschied entsteht natürlich dadurch, dass Fahrzeuge mit konventionellen Antrieben in Bestandsgaragen nur abgestellt, nicht aber betankt werden. Mit dem Abstellen und Laden von Elektrofahrzeugen entstehen daher neue Risiken, die bewertet und im Schutzkonzept eines Betriebs berücksichtigt werden müssen. Bei der Risikobewertung ist zunächst zu unterscheiden, welche Fahrzeuge wo abgestellt und ob diese dabei geladen werden sollen. Bei Auswertung von Schadenfällen liegen heute mehr Informationen zu Bränden von batteriegetriebenen Pedelecs vor als über Pkw, die während des Ladevorganges in Brand geraten sind. Im Gegensatz zu einem batterieelektrisch angetriebenen Kfz können bei E-Bikes und Pedelecs die Antriebsbatterien meist entnommen und getrennt vom Fahrzeug geladen werden. Daher sind die Maßnahmen zum Brandschutz hier einfacher umsetzbar.
Allerdings darf sich die Risikobewertung nicht allein auf brandschutztechnische Themen beschränken, auch die elektrische Anlage muss kritisch betrachtet werden. Sollen Fahrzeuge während der Abstellzeit zum Beispiel im Verwaltungs- oder Betriebsgebäude geladen werden, muss dessen vorhandene Elektroinstallation erweitert und meist grundlegend ertüchtigt werden. Wenn diese Lasterhöhung nicht bei der Planung der Bestandsanlage berücksichtigt wurde, besteht durch eine nachträgliche Installation von Ladeinfrastruktur (Verteilungen, Kabel, Wallboxen) die Gefahr, dass diese Bestandsanlage überlastet wird oder vorhandene Fehler und alterungsbedingter Verschleiß zu Bränden an elektrischen Anlagen führen.
NORMEN UND VORSCHRIFTEN
Wertet man die derzeit gültigen Bauordnungen und Garagenverordnungen aus, so muss festgestellt werden, dass zum Thema des Brandschutzes in Verbindung mit der Elektromobilität bisher keine konkreten Anforderungen formuliert wurden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mustergaragenverordnung in der vorliegenden Fassung von Mai 1993 letztmalig 2008 geändert wurde. Es besteht ein erheblicher Aktualisierungsbedarf. Damit verbleibt die Verantwortung beim Unternehmer, für seinen Betrieb eine risikogerechte Bewertung und Festlegung von baulichen, anlagentechnischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen und diese umzusetzen.
Im Gegensatz dazu werden die normativen Anforderungen an die notwendigen Änderungen und Erweiterungen der elektrischen Anlage in aktuellen Normen beschrieben. In den VDE-Normen werden die über die in der Normengruppe VDE 0100 hinausgehenden oder abweichenden Anforderungen in den Normen VDE 0100-700 ff. beschrieben. In diesem Fall ist die DIN VDE 0100-722:2019-06 „Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 7-722: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art — Stromversorgung von Elektrofahrzeugen“ zu beachten. Darüber hinaus geben der „Technische Leitfaden Ladeinfrastruktur Elektromobilität“, Version 3 und der ZVEI-Leitfaden „Ladeinfrastruktur und Umfeldmaßnahmen für Wohnungswirtschaft und Verwaltung“ Hinweise zur fachgerechten Planung, Installation und Prüfung der Ladeinfrastruktur.
HINWEISE ZUR PLANUNG VON ABSTELLFLÄCHEN UND LADESTATIONEN AUS SICHT DER SACHVERSICHERUNGEN
Da in Ermangelung klarer baurechtlicher Anforderungen die Sachversicherer immer wieder angesprochen wurden, Vorgaben in Bezug auf die Nachrüstung von Ladestationen in Bestandsgebäuden zu formulieren, wurden mehrere VdS-Richtlinien neu erarbeitet oder aktualisiert. Diese Richtlinien wurden in einem öffentlichen Konsultationsverfahren unter anderem mit den betroffenen Verbänden der Automobilhersteller, der Importeure, des Elektrohandwerkes abgestimmt und veröffentlicht.
VdS 3885 2020-12 Elektrofahrzeuge in geschlossenen Garagen – Sicherheitshinweise für die Wohnungswirtschaft.VdS 3471 2021-02 Ladestationen für Elektrofahrzeuge
Freiflächen, offene Garagen
Bevorzugt sollten Elektrofahrzeuge außerhalb der Gebäude oder in baulich getrennten, offenen Garagen abgestellt oder geladen werden. Die Mindestabstände zu den Gebäuden sind je nach Bauart festzulegen. Beispielsweise kann eine Abstell- oder Unterstellmöglichkeit mit Ladestationen unmittelbar an einem Gebäude geschaffen werden, wenn die Außenwand einen ausreichenden Feuerwiderstand aufweist (Beton, Mauerwerk) und sich keine Öffnungen in diesem Bereich befinden.
Park- und Tiefgaragen
Kommt es innerhalb einer Garage zum Brand eines Pkw, entstehen hohe Temperaturen, große Rauchgasmengen und korrosive Brandgase. Eine Brandübertragung auf weitere abgestellte Fahrzeuge ist zu erwarten. Mit Personengefährdungen und massiven Schäden am Gebäude ist zu rechnen. Schadenfälle zeigen, dass die Entrauchung bei geschlossenen Garagen und Tiefgaragen ein besonderes Problem darstellt. Dies ist zunächst unabhängig von der Antriebsart der Fahrzeuge zu bewerten. Bei Elektrofahrzeugen muss zusätzlich beim Durchzünden eines Batteriesystems mit einer größeren Rauch- und Energiefreisetzungsrate gerechnet werden. Festzustellen ist, dass eine wirksame Brandbekämpfung an Elektrofahrzeugen innerhalb geschlossener Garagen durch den Laien nicht möglich ist. Das Löschen eines in Brand geratenen Fahrzeuges innerhalb einer geschlossenen Garage und insbesondere dessen Antriebsbatterie ist auch für die Feuerwehr eine anspruchsvolle Aufgabe.
Sollen nun Ladeeinrichtungen in Park- oder Tiefgaragen installiert werden, ist es zweckmäßig, diese möglichst in der Einfahrt- beispielsweise Ausfahrtebene anzuordnen. Hierdurch wird die Entrauchung vereinfacht und der Feuerwehr im Brandfall ein einfacher Zugang und eine möglichst rasche Brandbekämpfung ermöglicht. Zu einer schnellen und effektiven Brandbekämpfung ist jedoch die frühzeitige Detektion, Lokalisierung und Alarmierung der Einsatzkräfte erforderlich. Die Hersteller von Brandmeldetechniken bieten für Garagen verschiedene Systeme und deren Kombination an. Beispielsweise können Rauchansaugsysteme eine Rauchfreisetzung sehr frühzeitig detektieren. Für Bereiche mit rauen Umgebungsbedingungen eignen sich linienförmige Wärmemelder. Mit einer Branddetektion sollte zusätzlich zur Alarmauslösung der Ladestrom aller Ladestationen unterbrochen werden.
ACHTUNG!
Verunfallte oder beschädigte Elektrofahrzeuge stellen eine besondere Brandgefahr dar! Auch wenn nach einem Unfall die Batterie optisch intakt erscheint, kann diese dennoch vorgeschädigt sein. Keinesfalls darf ein verunfalltes Elektrofahrzeug in einer Garage abgestellt werden. Dieses Fahrzeug ist schnellstmöglich einer Fachwerkstatt zu übergeben und dort zu untersuchen. Ist es erforderlich, das Fahrzeug kurzfristig auf einem Betriebsgelände abzustellen, so ist dies ausschließlich im Freien und mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand von mindestens 5 m zu Gebäuden, brennbaren Gegenständen und Fahrzeugen vertretbar. Bei besonderen Umgebungsbedingungen, zum Beispiel brennbaren Fassaden, können größere Abstände erforderlich sein.
Automatische Feuerlöschanlagen
Die Brandereignisse der letzten Jahre in verschiedenen Großgaragen haben deutlich gezeigt, dass sich durch die höheren Brandlasten der heutigen Kraftfahrzeuge (unabhängig von ihrer Antriebsart) die Brände schneller und großflächiger ausbreiten. Unter Berücksichtigung dieser veränderten Bedingungen ist für Tiefgaragen und geschlossene Großgaragen generell ein Schutz durch eine automatische Löschanlage als erforderlich anzusehen. Selbst in Mittelgaragen ist dies aus Sicht des Sachschutzes empfehlenswert. Sprinkleranlagen können die Brandübertragung auf benachbarte Fahrzeuge wirksam verhindern und die thermische Belastung des Gebäudetragwerks maßgeblich reduzieren.
Baulicher Brandschutz
Ist geplant, eine im Gebäudebestand vorhandene Garage zum Laden von Elektrofahrzeugen zu nutzen, muss der bauliche Brandschutz bewertet und gegebenenfalls verbessert werden. Hersteller von Elementen zur Deckenverkleidung von zum Beispiel Straßentunneln bieten Systeme an, mit denen im Rahmen einer Sanierungsmaßnahme die vorhandenen Stahlbetondecken ertüchtigt und die Feuerwiderstandsdauer verbessert werden kann.
Elektrische Anlage
Bei der Planung einer Lademöglichkeit für Elektrostraßenfahrzeuge in einem Bestandsgebäude muss zunächst analysiert werden, ob die zusätzlich benötigte Leistung für alle geplanten Ladeeinrichtungen (Gleichzeitigkeitsfaktor = 1) ständig zur Verfügung steht. Ist dies nicht der Fall, zum Beispiel wenn der Querschnitt der Anschlussleitung nicht ausreicht oder teure Lastspitzen verursacht würden, können Systeme zum Lademanagement eingesetzt werden (siehe hierzu Grafiken 1 und 2, Seite 26). Diese Systeme werden mittlerweile von Wallbox- und Schaltanlagenherstellern angeboten. Der Einsatz dieser Systeme verursacht allerdings neben den Anschaffungskosten einen nicht zu unterschätzenden Einführungs- und Betriebsaufwand. So müssen Prioritäten beim Laden festgelegt und Identifikationssysteme betreut werden. Mit dem Ausbau der Elektromobilität wurde auch sehr schnell über den Einsatz von Batteriespeichern als Zwischenpuffer diskutiert. Denkbar ist zum Beispiel, in Schwachlastzeiten günstig Energie zu beziehen und diese dann zeitversetzt zum Aufladen der Fahrzeuge zu nutzen. In Fachzeitschriften wird über diese Projekte berichtet, allerdings sind solche Lösungen innerhalb von Gebäuden brandschutztechnisch nur mit einem erhöhten Aufwand, wie baulicher Trennung oder anlagentechnischem Brandschutz, realisierbar.
Laden mittels Haushaltssteckdosen
Das Laden von E-Kfz an haushaltsüblichen Schutzkontaktsteckdosen sollte im Unternehmen grundsätzlich untersagt werden! Die Steckdosen im Gebäudebestand sind gealtert und meist über Klemmstellen in unzugänglichen Unterverteilungen miteinander verbunden.
Lademanagement-Systeme
Grundsätzlich sind fachgerecht installierte Ladestationen (Wallboxen) zu verwenden. In Ausnahmefällen beschreibt die VdS 3885, dass zum Beispiel Hybridfahrzeuge kurzeitig und mit einem auf 10A begrenzten Ladestrom an einer dafür geeigneten und von der Elektrofachkraft freigegebenen Steckdose geladen werden können.
Für einen sicheren Betrieb sind folgende Maßnahmen einzuhalten:
Haushaltsübliche Schutzkontaktsteckdosen, die zum Laden verwendet werden, sind mit LS-Schaltern maximal 13A Charakteristik B abzusichern, eindeutig zu kennzeichnen und von der verantwortlichen Elektrofachkraft hierfür freizugeben. Die jeweilige Zuleitung zu den Ladestationen (Wallboxen) und Steckdosen erfolgt ausschließlich von einer Verteilung (meist der Niederspannungshauptverteilung) ohne zusätzliche Klemmstelle, zum Beispiel in einer Abzweigdose. Jeder Ladepunkt ist in der Verteilung einzeln mit einer Überstromschutzeinrichtung und einem geeigneten Fehlerstromschutzschalter zum Beispiel Typ B oder nach Herstellervorgabe abzusichern.
Ein Überspannungsschutz mindestens Typ II ist erforderlich. Ladestationen / Steckdosen sind nur auf nichtbrennbarem Untergrund zu montieren. (Bilder 2 und 3)
Laden von Pedelecs beziehungsweise E-Bikes
Ladegeräte von Pedelecs und E-Bikes sind in der Regel nicht für den Einsatz in feuchten oder staubigen Umgebungen geeignet. Sollen diese im Außenbereich eingesetzt werden, müssen geeignete Gehäuse beschafft werden. In Innenräumen muss das Risiko einer Brandausbreitung bewertet werden. Daher ist es sinnvoll, für das Laden von Pedelec- und E-Bike- Batterien brandschutztechnisch getrennte Räume oder geeignete Schranksysteme mit integrierten Steckdosen vorzusehen. Diese Schränke sind so auszulegen, dass sie einen ausreichenden Schutz vor einer Brandausbreitung bieten und sollten in einer brandlastfreien und brandschutztechnisch überwachten Umgebung aufgestellt und betrieben werden.
Mitarbeiter sind zur Einhaltung folgender Maßnahmen zu verpflichten:
– Das Laden von Batterien am Arbeitsplatz ist untersagt. Es sind ausschließlich die vom Unternehmen ausgewiesenen Ladeplätze zu benutzen.
– Die Herstellerangaben zum Laden der Akkus sind zu beachten.
– Es dürfen nur vom Batteriehersteller zugelassene Ladegeräte verwendet werden.
– Vor jedem Laden und nach ungewöhnlichen Ereignissen, zum Beispiel Unfall, Sturz, sind Ladegerät und Batterien auf sichtbare Beschädigungen zu untersuchen, zum
Beispiel abgeplatzte Teile, korrodierte Kontakte oder aufgeblähte Batterien.
– Beschädigte Batterien oder Ladegeräte dürfen nicht verwendet werden.
– Ladegeräte dürfen nicht an Mehrfachsteckdosen betrieben werden.
– Ladegeräte dürfen nicht in der Nähe von brennbaren Materialien betrieben werden (Bilder 4 bis 6).
Organisatorische Maßnahmen
In der Brandschutzordnung des Unternehmens sollten die vorgenannten Punkte zusammengefasst und für alle Mitarbeiter verpflichtend bekannt gemacht werden. Regelmäßige Sichtkontrollen der Ladeeinrichtungen, Ladeplätze und Schranksysteme sind erforderlich. Messtechnische Untersuchungen der Betriebsmittel erfolgen gemäß den in der DGUV V 3 genannten Intervallen.
Dipl.-Ing. (FH) Lutz Erbe
VGH Versicherungen, Hannover