Konkrete Schadenverhütung und Sicherheit
Ein Brandschaden oder schwerer Unfall auf einem landwirtschaftlichen Betrieb ändert oft das gesamte Leben auf dem Hof. Die gewohnten Abläufe sind sofort unterbrochen. Die Aufrechterhaltung der notwendigsten Funktionen und die Wiederherstellung des Betriebs erfordern zusätzlich viel Zeit, Improvisation und Geduld. Erfahrungsgemäß ist der ordentliche Betriebsablauf oft monatelang, manchmal jahrelang gestört. Oder schlimmstenfalls: Durch mangelnde Sicherheit elektrischer Einrichtungen kommt ein Angehöriger oder Mitarbeiter körperlich zu Schaden.
Wie gern hätten Betroffene im Nachhinein alles darangesetzt, den Schaden ungeschehen zu machen und zu vermeiden. Die gesetzlich vorgeschriebene Elektroprüfung setzt genau hier an. Sie reduziert nicht nur von vornherein das Brandrisiko durch elektrische Installationen und Anlagen deutlich, sondern spart dem Landwirtschaftsbetrieb auch Zeit und Kosten.
Landwirte müssen im Rahmen ihrer Betriebsführung viele Vorschriften beachten. Dazu zählen auch alle von Bau- und Ordnungsbehörden, von sonstigen staatlichen Stellen oder von Berufsgenossenschaften geforderten Schadenverhütungs- und Sicherheitsvorschriften. Seit jeher zählen fehlerhafte elektrische Anlagen und Geräte mit zu den häufigsten Brandursachen im Agrarbereich, auch wenn Landwirte gemäß den Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz (VSG) der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften (SVLFG) dafür sorgen müssen, dass ortsfeste elektrische Anlagen und Betriebsmittel in den Betrieben im Abstand von vier Jahren durch eine Elektrofachkraft geprüft werden.
Durch die immer intensivere Automatisierung und Digitalisierung in der Landwirtschaft nimmt die Bedeutung der Gefahren in Verbindung mit elektrischem Strom aber stetig zu (Grafik 1).
Was viele Betriebsleiter nicht wissen: Wer von diesen Vorgaben bewusst abweicht, sie ignoriert oder fahrlässig verletzt – etwa durch eine verspätete Prüfung –, kann den Versicherungsschutz des Betriebes gefährden, was zu empfindlichen Leistungskürzungen führen kann.
Die öffentlichen Versicherer als traditionelle Landwirtschaftsversicherer unternehmen – von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich – zahlreiche Anstrengungen gemeinsam mit den Landwirten und bieten Services zur Schadenprävention. Am Beispiel der Versicherungskammer Bayern, die die Elektroprüfung für die Landwirte organisiert, soll hier die Relevanz der Thematik verdeutlicht werden.
Denn durch eine regelmäßige Prüfung der Elektroanlagen und -geräte in den landwirtschaftlichen Betrieben sowie die Behebung anfallender Mängel, insbesondere schwerwiegender Mängel (auch Kreuz- oder „X“-Mängel genannt), sind die elektrischen Anlagen in einem besseren Zustand als nicht geprüfte Anlagen (Bild 1).
Eine interne Auswertung der Versicherungskammer Bayern für das Jahr 2023 zeigt, dass bei 28 % der Betriebe in Bayern bei den Elektroprüfungen mindestens ein schwerer Mangel erkannt wurde. Von diesen schwerwiegenden Mängeln wurden 62 % innerhalb einer kurzen Zeitspanne von drei Monaten behoben. Noch nicht behobene Mängel werden aktiv nachgehalten. Diese Konsequenz in der Prävention ist ein wichtiger Beitrag für mehr Sicherheit!
Die potenziellen Brandgefahren können sehr unterschiedliche Ursachen haben: Von veralteten Elektroleitungen über Schäden durch Nagetiere bis hin zu nicht fachgerechten Erweiterungen der Anlagen oder fehlenden Sicherheitseinrichtungen. Der nachfolgende Überblick aus den Erfahrungen der Versicherungskammer Bayern gibt einen Überblick über die dort festgestellten, wichtigsten Gefahren auf bayerischen Betrieben und zeigt Möglichkeiten auf, sie zu beseitigen.
Auch für Leuchten gelten wichtige Sicherheitsregeln:
• Leuchten müssen durch Gitter oder Glasabdeckungen gegen Beschädigung geschützt sein. Sie müssen die Schutzart IP 4X oder 5X haben.
• Leuchten dürfen nicht mit Heu, Stroh oder anderen brennbaren Materialien bedeckt sein.
• Leuchten in Stroh- oder Heulagern, in Scheunen, Speichern und Kellern sollten per Schalter mit Kontrolllampe geschaltet werden, damit sie nicht vergessen werden.
• Verwenden Sie nur Lampen mit der maximal an der Leuchte angegebenen Leistung.
• Flackernde oder nur an den Enden glühende Leuchtstofflampen müssen Sie unverzüglich ausschalten und auswechseln.
• Bevorzugen Sie Leuchtstofflampen mit modernen elektronischen Vorschaltgeräten (EVG).
• Halogenstrahler sind wegen ihrer hohen Oberflächentemperatur in feuergefährdeten Gebäuden oder Räumen nicht zulässig.
Gefahr durch Alterung und Erwärmung
Bei fast allen elektrischen Anlagen bestehen die isolierenden Stoffe aus Polyvinylchlorid. Erst durch sog. Weichmacher und Stabilisatoren eignet sich das spröde PVC für diese technischen Anwendungen. Auch die Schwerentflammbarkeit wird durch die Zugabe von Chemikalien erreicht.
Obwohl PVC relativ unempfindlich gegen äußere Einflüsse ist, kann sich das Stoffgemisch im Laufe der Zeit erheblich verändern. Vor allem wenn sich die Weichmacher aus dem Produkt lösen, wird das PVC wieder spröde. Dauerhafte Erwärmung der Kabel, z. B. bei Überlastung, beschleunigt den Prozess. Je näher die Betriebstemperatur an der bei PVC zulässigen Grenztemperatur von 90 °C liegt, desto schneller altert das Kabel.
Daher muss der Kabelquerschnitt zur benötigten elektrischen Leistung passen. Aber auch auf die Wärmeabfuhr muss geachtet werden. Übersteigt z. B. in einem Kabelkanal die Anzahl der verlegten Leitungen das ursprünglich geplante Maß, kann durch die größere Abwärme der Kabel ein Kurzschluss entstehen. Aus den gleichen Gründen sollten Sie die Kabel regelmäßig von Schmutz befreien.
Thermische Überlastungen können mit Elektrothermografie erfasst werden. Das ist ein berührungsloses Messverfahren, das unsichtbare Wärmestrahlung sichtbar macht. So lassen sich elektrische Anlagen auch bei Lastbetrieb auf thermische Schwachstellen untersuchen. Damit wird ein möglicherweise zukünftig auftretender Elektrodefekt im Vorhinein sichtbar und die Schwachstelle komplikationslos vermeidbar. Detailliert ist die Thermografie in den Richtlinien VdS 2859 und VdS 2858 beschrieben.
Über den Internetauftritt des VdS, www.vds.de, Quicklinks VdS-Richtlinien, können diese Informationen kostenlos als Download bezogen werden.
Vorsicht bei baulichen Änderungen und Erweiterungen
Bei der Erweiterung elektrischer Anlagen sind sicher oft pragmatische, auf den ersten Blick „praxistaugliche“ Lösungen gefragt. Häufig entstehen dabei „kreative Ideen“. Allerdings darf die Kreativität nicht zulasten der Sicherheit gehen. Wenn sich die angedachten Lösungen nicht mit den VDE-Sicherheitsvorschriften vereinbaren lassen, dürfen sie nicht umgesetzt werden. Also gilt: Vor der Umsetzung von Änderungen und Erweiterungen immer den Fachbetrieb fragen und am besten von diesem den Umbau durchführen lassen.
Schon aus Gründen des Personenschutzes sollten elektrische Leitungen nur von einer Elektrofachkraft verlegt werden. Auch Reparaturen und Wartungen sowie der Anschluss von elektrischen Geräten gehören in die Hände einer Elektrofachkraft (Bild 2).
Bei Änderungen / Erweiterungen der Elektroinstallation werden häufig Leitungen durch feuerwiderstandsfähige Wände und Decken geführt, ohne dass die Öffnungen anschließend wieder fachgerecht geschlossen werden. Durch mangelhafte oder fehlende Kabelschotts erhöht sich im Brandfall aber die Gefahr eines Brandüberschlags auf nicht betroffene Bauteile ganz erheblich, ein Totalschaden droht. Auch Elektrokabel und Leitungen, die nicht mehr gebraucht werden, stellen eine unnötige Brandlast dar – sie sollten daher umgehend beseitigt werden.
Feste Leitungen und Kabel sollten möglichst im oder unter Putz verlegt und somit vor mechanischen Beschädigungen durch Tiere und Maschinen geschützt sein. In Hohlräumen halten enge Schutzrohre oder geschlossene Kabelkanäle Nagetiere fern (Bilder 3 und 4).
Erdung erhöht die Sicherheit
Die Gefahr bei elektrischen Anlagen wird vor allem durch ungewollte Potenzialdifferenzen verursacht. Denn erst die Potenzialdifferenz – also die Spannung – führt zum Fließen des Stroms. Innerhalb elektrischer Anlagen ist dies betriebsnotwendig. Dafür muss sich aber auch die Anlage in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden, wenn aus einem Fehlerfall wie Kurzschluss oder lsolationsfehler keine Gefahr für Personen resultieren soll.
Um die Gefahren von Potenzialdifferenzen innerhalb von Gebäuden zu beschränken, sollte ein Potenzialausgleich hergestellt sein. Dazu verbindet man alle leitfähigen Komponenten eines Gebäudes, Stahlbauteile, Fassadenbleche, metallene Leitungen usw. an einer oder mehreren Stellen leitend miteinander. Technisch wird das heute im Regelfall in Form einer Potenzialausgleichsschiene (PA-Schiene oder PAS) umgesetzt (Bild 5).
Durch den direkten Anschluss der PAS an die Erdungsanlage des Gebäudes (z. B. Fundamenterder) erhalten alle metallenen Einrichtungen ein definiertes Potenzial (Erde). Es können somit keine Potenzialdifferenzen innerhalb des Gebäudes auftreten und Menschen oder Tiere gefährden. Ein konsequenter Potenzialausgleich ist auch die erste wirksame Maßnahme als Grundlage für einen guten Überspannungsschutz der elektrischen und elektronischen Geräte und Bauelemente. Wie sich aus der Schilderung unschwer nachvollziehen lässt, ist der Potenzialausgleich Sache eines Fachmanns.
Nutzen der Elektroprüfung für den landwirtschaftlichen Betrieb
Im Rahmen der Durchführung der Elektroprüfung erfolgt erfahrungsgemäß im Rahmen des begleitenden Gesprächs und der unvermeidlichen Begehung der Hofstelle zunächst eine Sensibilisierung des Betriebsleiters oder der die Prüfung begleitenden Person für das Thema „Sicherheit im Alltag“. Allein dadurch verbessert sich der Schutz für die Bewohner und den Hof bereits. Sehr konkret wird die Sicherheit durch die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen aus dem individuellen Elektro-Prüfbericht noch erhöht: zum Beispiel durch den Einsatz von Fehlerstromschutzeinrichtungen und Brandschutzschaltern, die sowohl der Personen- als auch der Betriebssicherheit gerecht werden, oder durch eine bessere Aufteilung von Stromkreisen. Auch Maßnahmen für einen praktikablen Blitz- und Überspannungsschutz für den Betrieb und das Wohnhaus verbessern die Sicherheit (Bild 6).
Zudem führen die im Laufe der Jahre gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen bei regelmäßig durchgeführter Elektroprüfung dazu, dass der Schutz systemisch mit den Veränderungen im Betrieb wächst. Oft wirken sich strukturelle Veränderungen, Neubauten, die Erweiterung des Betriebes oder Renovierungsarbeiten auf die elektrische Gesamtversorgung aus. Die Sicherheitsmechanismen müssen dann den Veränderungen und neuen Gegebenheiten standhalten oder nachgerüstet werden. Angesichts der für landwirtschaftliche Betriebe traditionellen wie weiterhin aktuellen Brandursache Nr. 1 – „Defekt/ Mängel der elektrischen Anlagen“ – bleibt die konsequente Elektroprüfung das Mittel der Wahl zur Schadenprävention für Betriebsleiter. Zum eigenen Schutz, zum Schutz der Familie und Betriebsangehörigen sowie der Betriebsstätten und etwaiger Viehbestände.
Christian Schmidt,
Abteilungsleiter, Versicherungskammer Bayern, München
Thomas Minko,
Abteilungsleiter, Versicherungskammer Bayern, München