Ernteversicherung als Teil betrieblichen Risk Managements des Landwirts
Die Versicherung von Ernteerzeugnissen hat in Deutschland eine lange Tradition. Mit einer Absicherung gegen Hagelunwetter, deren katastrophale Zerstörungskraft schon alttestamentarisch dokumentiert ist, schützen Landwirte seit über 200 Jahren ihren Anbau auf den Feldern. Mit der Absicherung des Ertragsausfalls wird eine wesentliche Einkunftsquelle landwirtschaftlicher Betriebe mit einer Versicherungslösung geschützt. Denn das „konservativ-bäuerliche Risk Management“ nach altem Brauch: „… habe eine Ernte auf der Tenne, eine (vermarktete) Ernte auf der Bank, eine Ernte auf dem Feld“ entspricht schon lange nicht mehr dem Bedürfnis moderner Landwirtschaftsbetriebe.
Dabei sind Hagelschläge bis in die heutige Zeit gefürchtet. Sie treten sowohl in Form oft hunderter Kilometer langer Hagelzüge oder in lokalen Extremwetterereignissen auf. Zuletzt fielen im August 2023 im Raum Südbayern Hagelkörner mit bis zu 10 cm Durchmesser. Die Versicherungskammer Bayern regulierte im Rahmen dieses Hagelsturms namens „Denis“ Schäden in Höhe von rd. 6 Mio. € an zerstörten landwirtschaftlichen Kulturen und insgesamt 17.000 Schäden mit etwa 230 Mio. €.
Eindrucksvoll zeigten die Hagelschläge, dass binnen weniger Minuten die Arbeit eines ganzen Jahres zerstört und bislang aufgewendetes Kapital vernichtet wird. Die Erlösausfälle gefährden die Liquidität der Betriebe und meist die eigene Futtergrundlage für die Viehhaltung. Haben Landwirte in der Vergangenheit Hagelunwetter mit Hagelkerzen, Gebet, Glockengeläut oder Kanonenschlägen zu vertreiben versucht, besteht heute Einvernehmen, dass lediglich eine Versicherung zumindest das Liquiditätsrisiko der Betriebe abfangen kann.
Dennoch wird in wenigen Regionen versucht, Hagelunwetter durch per Flugzeug vorgenommener Impfung der Gewitterwolken mit Silberjodid zu bekämpfen. In Österreich, Bayern, Baden-Württemberg und Teilen Rheinland- Pfalz sind die Hagelflieger meist auf Vereinsbasis organisiert und werden oft von Verbänden oder den beflogenen Kommunen mit Dritt- wie Steuermitteln finanziert. Trotz intensiver wissenschaftlicher Forschung ist bis heute jedoch die kausale Wirkung einer „Hagelabwehr“ oder eine Minderung der Hagelintensität nicht nachgewiesen. Auch die Schadenaufwände der Versicherer gehen in den beflogenen Regionen nicht messbar zurück. Im Gegenteil: Die regelmäßige Überprüfung kalkulierter Versicherungstarife anhand der Schadenentwicklung ergibt in den dortigen Regionen weiterhin überdurchschnittlich hohe Prämienniveaus.
Eine moderne Ernteversicherung fordert die Versicherungsunternehmen heraus, weil die Unvorhersehbarkeit der Schäden und ihr Ausmaß durch den Klimawandel eine ganz besondere Dynamik birgt. Sog. Kumulschäden belasten die Bilanzen der Unternehmen ganz erheblich. Die heute im Versicherungsmarkt geforderte Ergebnissteuerung und -kontrolle wird erschwert. Auch deshalb bieten viele Unternehmen keine Versicherungslösung in diesem Geschäftsfeld.
TRADITIONELL
Die klassische Hagelversicherung für pflanzliche Kulturen
Die Hagelversicherung ist eine Schadensversicherung. Ersetzt wird der durch Hagelschlag an der Pflanze kausal entstandene Minderertrag bzw. der daraus resultierende Ertragsausfall. Nirgends trifft der Erfahrungssatz der Versicherten: „… der Schaden ist der Prüfstein der Versicherung“ besser zu als hier. Denn der Schadenbegutachtung der verhagelten Kultur kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Auf sie wird später eingegangen. Sie erfordert eine ausgewiesene fachliche Expertise zur Schadenfeststellung an der Pflanze wie zur Abgrenzung sonstiger Pflanzenschädigung (z. B. durch Schädlinge oder ackerbauliche Fehler).
Der Landwirt meldet jährlich im Frühjahr dem Ernteversicherer seinen konkreten Anbau (Anbaumeldung) auf dem Feld, der wechseln kann (Fruchtwechsel). Zudem legt er den Versicherungswert der zu versichernden Frucht je Hektar Anbaufläche (Versicherungssumme, hier genannt Hektarertragswert) fest. Die Meldung erfolgt bis zum 15.05. des Jahres und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem es nach bisheriger Schadenerfahrung noch nicht zu Schadenereignissen kommt. Der Klimawandel stellt diese Annahme aber zunehmend in Frage. Die letzten Jahre traten erste Hagelereignisse bereits Mitte / Ende April auf.
Auch im Zuge der aktuellen Erweiterung der Absicherungsmöglichkeiten gegen die weiteren Elementargefahren Frost, Sturm, Starkregen und Trockenheit gewinnen die Anbaumeldung und ihr Zeitpunkt eine ganz neue Bedeutung. Denn der überwinternde Anbau (sog. Winterungen) oder früh austreibende (z. B. Obst-) Kulturen können durch (Spät-) Fröste massiv geschädigt werden (Bilder 2 und 3).
PRAKTIKERTIPP
01
Landwirte sind gut beraten, ihre Anbaumeldung möglichst früh im Jahr aufzugeben. Besondere Bedeutung hat das, wenn neue Früchte angebaut werden, die bislang nicht versichert waren. Diese sind erst mit Zugang der Anbaumeldung (und einer dann laufenden Wartefrist) beim Versicherer abgesichert.
02
Werden Winterungen angebaut, bei denen sich bereits im Herbst eine starke Preisentwicklung am Markt abzeichnet, sichert eine im Herbst des Jahres abgegebene Anbaumeldung mit Anhebung des Hektarertragswertes die angemessene Entschädigung bei Frostschäden im Winter bzw. Frühjahr.
03
Der Versicherungsschutz für Frostschäden ist am Markt oft mit einer Wartefrist verknüpft, was beim Abschluss einer Frostdeckung zu beachten ist.
Nachdem Wetterphänomene generell und Extremwetterereignisse im Speziellen stark örtlich differieren können und von regionalen Besonderheiten wie Gebirgen, Tal- wie Hügellagen und weiteren topografischen Besonderheiten abhängen, ist die regionale Gefahreneinschätzung und die daraus resultierende Tarifierung der Ernteversicherung eine große Herausforderung. Für die meisten Gefahren werden sog. Ortstarife (also auf Gemeindegebietsebene) ermittelt, die auf jahrhundertelange Erfahrung von Schadensereignissen in der Hagelversicherung und hierzu geführten Statistiken gründen. Beim Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) werden Schadenstatistiken erstellt und daraus sog. Schadenbedarfe abgeleitet, die in langer Zeitreihe in die Prämienkalkulation der Versicherungsunternehmen einfließen.
Schadenregulierung – eine fachliche und logistische Herausforderung
Entsprechend dem traditionellen Bedrohungsszenario hat die Hagelversicherung eine lange Historie und hohe Marktdurchdringung. So ergeben Markteinschätzungen, dass bundesweit über 65 % der landwirtschaftlichen Fläche gegen die Gefahr Hagel versichert sind. Die in Deutschland jüngst angebotene Absicherung gegen weitere Elementargefahren (Ernte-Mehrgefahrenversicherung) ist bislang noch nicht so weit verbreitet. Experten schätzen die Absicherung gegen Sturm auf rund 10 %, gegen Frost auf unter 5 % und gegen Trockenheit auf unter 1 % der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland.
In der Ernteversicherung bedarf es zur Schadenregulierung langjährig erfahrener Praktiker. Zudem ist eine schlagkräftige Logistik vorzuhalten. Denn Hagelzüge, die bisweilen eine Länge von über 200 Kilometern und eine Breite von durchaus 30 Kilometern annehmen können, sind sog. Kumulschäden. Sie bedeuten eine Vielzahl von Einzelschadensfällen – genauer –, eine hohe Anzahl zu besichtigender, geschädigter Feldstücke mit obendrein unterschiedlichsten pflanzlichen Kulturen. Schädigungen der angebauten Kulturen kurz vor der Ernte – sog. Ernteschäden – verschärfen wegen der Kurzfristigkeit der erforderlichen Begutachtung die Schadenregulierung zudem erheblich. Das Erfordernis, binnen kürzester Zeit 20.000 Feldstücke und mehr zu besichtigen, ist keine Seltenheit.
Anteil der landwirtschaftlichen Flächen, die nach Markteinschätzungen bundesweit gegen folgende vier Gefahren versichert sind:
Hagel 65 %
Sturm 10 %
Frost < 5 %
Trockenheit < 1 %
PRAKTIKERTIPP
01
Melden Sie die geschädigten Flächen dem Versicherer möglichst genau nach Lage und beschädigter Frucht. Vermeiden Sie pauschale Meldungen wie etwa „alle Felder geschädigt“. Damit beschleunigen Sie die Regulierung Ihrer Schäden. Denn die Sachverständigenteams bestehen aus Spezialisten für die jeweilige Ackerkultur.
02
Halten Sie zur Besichtigung der geschädigten Kulturen Ihr Betriebsdatenblatt mit den angebauten Kulturen bereit. Die Sachverständigen sind verpflichtet, diese Dokumentation einzusehen und eine etwaige Unterversicherung auszuschließen.
03
Weisen Sie bei Schäden kurz vor dem Erntezeitpunkt den Versicherer auf die besondere Eilbedürftigkeit einer Besichtigung hin und vereinbaren ggf., dass unbeerntete Teile des Feldstücks zur Besichtigung ausreichen.
Entscheidende Ressource – der Sachverständige oder „Hagelschätzer“
Die Sachverständigen sind allesamt landwirtschaftliche Spezialisten, langjährig erfahren, auf „ihre“ Kultur spezialisiert und führen oft einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Wenn es auf Feldern versicherter Landwirte Schäden zu begutachten gibt, besteht zeitgleich oft Arbeitsbedarf auf dem eigenen Betrieb. Eine Abkömmlichkeit für den Einsatz als Hagelschätzer zu organisieren, ist auch für die Schätzer selbst eine regelmäßige Herausforderung. Dennoch ermöglichen die Sachverständigen in der Spitze an bis zu 120 Einsatztagen per anno ihre Tätigkeit als Hagelschätzer.
Mit der zeitlichen Herausforderung geht der Wandel der landwirtschaftlichen Arbeitsweise einher: Die Zunahme der Arbeitsbelastung, die Verdichtung der Arbeiten auf (auch klima- und regulatorisch bedingt) immer kürzere Zeiträume. Das strukturwandelbedingte Größenwachstum der Betriebe führt dazu, dass „junge Sachverständige“ als Nachwuchs wegen ihrer unternehmerischen Verantwortung und zeitlichen Inanspruchnahme als Betriebsleiter oft nicht zur Verfügung stehen.
Bedeutend für die Qualität der Schadenserhebung beim Kunden sind aber auch die kommunikativen Fähigkeiten. Denn gerade bei schweren Schäden sind geschädigte Landwirte angesichts der Zerstörung ihres Anbaus geschockt, durchleben extremen Stress bis hin zu Existenzängsten. Die Hagelschätzer müssen mit der gebotenen Sensibilität in der Lage sein, das Schadenbild an der Kultur zutreffend festzustellen, die Grundlagen der Schadenerhebung verständlich zu erklären und den Kunden zum weiteren Vorgehen zu beraten. Die Begutachtungsergebnisse werden digital mit Tablet erfasst.
Neue Kulturen im Anbau, unterschiedliche Vegetations- und zunehmende Extremwetterverläufe führen dazu, dass jedes Schadensjahr neue Erkenntnisse bringt. Das Erfahrungswissen aus der Schadenregulierung zu mehren und in das gesamte Sachverständigenteam zu tragen, ist die Pflicht jedes Sachverständigen. Nationaler sowie internationaler Austausch mit Ernte- und Rückversicherern und jährliche Trainings der Schadensexperten an wechselnden Kulturen bei unterschiedlichen Schadensursachen sind Standard für Ernteversicherer, aber in der deutschen Versicherungsbranche einmalig.
PRAKTIKERTIPP
01
Nutzen Sie die Besichtigung durch Sachverständige auch zum fachlichen Austausch über den weiteren Umgang mit der geschädigten Kultur. Die Sachverständigen verfügen aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit und der Vielzahl bewerteter Schadbilder über herausragende Kompetenz und Erfahrung.
02
Nehmen Sie sich persönlich Zeit, an der Besichtigung der Kultur teilzunehmen. Die Früchte Ihrer Arbeit sind betroffen. Eine Vertretung durch den Altenteiler oder gar sachunkundige Personen lässt oft Fragen unbeantwortet.
03
Lassen Sie sich vom Sachverständigen die Feststellungen zum Schadbild und die daraus zu treffenden Schlussfolgerungen verständlich erklären. Erheben Sie den Schaden unter Begleitung des Sachverständigen gerne in Parallelwertung auch selbst. Klären Sie mit dem Sachverständigen Ihre Bedenken oder abweichende Sicht.
04
Unterzeichnen Sie die dokumentierte Schadenfeststellung nur im Falle Ihrer Überzeugung von den getroffenen Feststellungen. Nutzen Sie anderenfalls die Ihnen zustehende (kostenlose) Möglichkeit einer zweiten Überprüfung durch ein „förmliches Schätzverfahren“ oder mittels eines dritten, „Obmannsverfahren“.
Anpassung an den Klimawandel führt zu neuen Absicherungsbedarfen
Der Klimawandel und sich änderndes Wettergeschehen führen nicht nur zum Anbau neuer Kulturen, sondern zu erweiterten, in der Vergangenheit nicht gekannten Absicherungsbedarfen für Landwirte. Dabei ist es für die Ernteversicherer hochriskant, neue Elementargefahren für pflanzlichen Anbau wie zum Beispiel Frost, Sturm, Starkregen oder Trockenheit abzusichern.
Denn anders als bei Hagelereignissen mit jahrhundertlangen Zeitreihen liegen für weitere Elementargefahren nur wenig statistische Wetterdaten für eine versicherungsmathematische Kalkulation vor. Zudem erschwert die Dynamik des Klimawandels eine verlässlich dauerhafte Interpretation der vorhandenen statistischen Werte und Verläufe.
Die Kundennachfrage nach Absicherung für weitere Elementargefahren birgt für die Versicherer zudem das große Risiko einer Negativselektion. Besonders die Landwirte mit hohen Kapital- und Warenwerteinsätzen, wie zum Beispiel im Bereich sehr teurer Sonderkulturen wie Obst-, Gemüseanbau oder Hopfen, fragen spezielle Versicherungsdeckungen nach. Hinzu kommt, dass aufgrund des oft sehr begrenzt regionalen Anbaus und der damit einhergehenden räumlichen Konzentration hoher Werte auf engem Raum per se ein Klumpenrisiko droht. Oft wird nur die für die Kultur speziell relevante Gefahrenkombination zur Absicherung nachgefragt, was die Negativselektion für den Versicherer weiter steigen lässt. Zudem drohen bei weitläufiger Absicherung von in der Fläche wirkenden Gefahren wie Frost oder Trockenheit Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe, die über Prämien meist nicht refinanziert werden können.
Herausforderungen in der vertrieblichen Beratung
Auch der Vertrieb der Ernteversicherung weist Spezialitäten auf: Mit der Beratung und dem Verkauf der jeweiligen Produkte sind meist sog. Spezialvertriebe betraut. Oft kommen Vertrauensleute oder Vertriebspartner zum Einsatz, die selbst aus dem landwirtschaftlichen Berufs(um)feld stammen. Sie sind nicht selten selbst erfahrene Landwirte und können diverse Kulturen und ihre Gefährdung gut beraten und einschätzen. Hieraus ergibt sich ein besonderes Vertrauensmoment, das für die landwirtschaftlichen Kunden von besonderer Bedeutung ist.
Dabei bietet eine abgeschlossene Ernteversicherung ein hohes Maß an saisonal bedingter Kundenkontaktfrequenz, was einerseits vertriebliche Gelegenheiten zur umfassenden Absicherung der Betriebe bietet, andererseits aber den Vertriebspartner herausfordert.
Beginnend mit dem Beratungsgespräch und dem Abschluss des Vertrages (in der Regel im Herbst des Vorjahres beziehungsweise Frühjahr eines Jahres) bietet die Anbaumeldung des Landwirts weiteren – gewünschten – Kontakt. Das geschieht zwar regelmäßig z. B. über Online-Portale, meist aber durch den Vertriebspartner im Kundenauftrag.
Oft gibt es Beratungsbedarf hinsichtlich hinzukommender oder nicht mehr angebauter Früchte. Man berät sich über aktuelle und zu erwartende Marktwerte der versicherten Frucht, die für den gewählten Versicherungswert (Hektarertragswert) ausschlaggebend sind.
Der Hektarertragswert variiert stark nach nationaler wie internationaler Marktsituation (Stichwort Getreideembargo im Ukrainekrieg) und oft individueller Vermarktungsmöglichkeit. Für Sonderkulturen wie Wein oder Hopfen sind Hektarertragswerte von 30.000 bis 40.000 € keine Seltenheit.
PRAKTIKERTIPP
01
Suchen Sie nach der Entscheidung des saisonalen Anbaus frühzeitig den Kontakt zu Ihrem Berater. Erwägen Sie die Vereinbarung einer regelmäßigen Beratungsroutine.
02
Nutzen Sie – falls Ihr Versicherer das anbietet – die Möglichkeit der Absicherung Ihres Betriebes über die Ernteversicherung hinaus.
03
Reflektieren Sie kritisch, welche Veränderungen Ihr Anbau in der neuen Saison erfährt und hinterfragen den Anpassungsbedarf Ihres Versicherungsschutzes.
04
Bedenken Sie bei der Wahl Ihrer Versicherungssumme bzw. Ihres Hektarertragswertes, dass Sie im Schadenfall neben den reinen Zukaufskosten für Ersatz Ihres zerstörten Anbaus auch Transportkosten u. a. mit einrechnen müssen. Bei einem Kumulereignis in Ihrer Region steigt ggf. aufgrund breiter Nachfrage der Preis für den Zukauf deutlich.
Unterlässt der Landwirt eine rechtzeitige Meldung seines Anbaus, läuft er Gefahr, keinen adäquaten Versicherungsschutz im Schadenfall zu haben. Im Rahmen der geltenden Versicherungsbedingungen wird der Landwirt in Schadenfällen vor Abgabe einer aktuellen Anbaumeldung automatisch nach Vorjahreswerten – soweit vorhanden – behandelt und die Versicherungssummen wie Prämienschuld danach festgesetzt. Diese Festsetzung ist dann, soweit sie vom Versicherungsnehmer nicht korrigiert wird, für die neue Versicherungsperiode bindend für die Absicherung der Frucht.
01
Geben Sie in jedem Fall rechtzeitig Rückmeldung an Ihren Versicherer. Auch bei Flächenstilllegung und Verpachtung, vor allem bei geändertem Anbau mit einer bisher nicht versicherten Frucht.
02
Melden Sie alle Flächen des zu versichernden Anbaus, z. B. bei versichertem Getreide auch die Flächen mit Gerste. Bei Verstoß gegen die bedingungsgemäß vereinbarte „Allesversicherungspflicht“ einer Kultur drohen empfindliche Kürzungen der Schadenzahlungen.
Neuland“ für alle Beteiligten: die Absicherung weiterer Elementargefahren
Wie oben dargelegt, wurde die Hagelversicherung entsprechend den landwirtschaftlichen Absicherungsbedürfnissen zur Erntemehrgefahrenversicherung weiterentwickelt, die nach internationalem Vorbild eine Absicherung gegen diverse Elementargefahren bietet. Die nun versicherbaren Elementargefahren sind im Markt weitgehend konform definiert:
HAGEL
Hagel ist Witterungsniederschlag in Form von Eiskörnern. Er ist durch den „Anschlag“ an den Pflanzenteilen feststellbar, weil dort die geschädigten Zellen kein Chlorophyll mehr bilden. Diese Stellen werden als „blasse Punkte“ sichtbar. Versicherter Schaden ist der durch Hagelschlag erfolgende An- oder Abschlag von Pflanzenteilen, der dadurch verursachte Bruch oder das Zerschlagen der ganzen Pflanze.
STURM
Die Sturmgefahr ist definiert als eine wetterbedingt starke natürliche Luftbewegung von mindestens Windstärke 8, die wie in der Gebäudeversicherung festgestellt wird. Neben dem Nachweis durch Auskünfte der Wetterdienste weisen in der Regel auch benachbarte Felder einer sturmgeschädigten Fläche vergleichbare Schadbilder auf. Der versicherte Schaden ist die durch Sturmeinwirkung auftretende Entwurzelung, Zerschlagung, Knickung, der Bruch der Pflanze, das Ab- oder Einreißen wie Abschmirgeln von Pflanzen oder Pflanzenteilen.
STARKREGEN
Die versicherte Gefahr Starkregen liegt vor, wenn eine im Versicherungsvertrag definierte Regenmenge niedergeht. Die Messung erfolgt z. B. mit Werten von Wetterstationen oder Radarerfassung. Der versicherte Schaden ist vertraglich definiert, liegt aber z. B. in der Entwurzelung, Zerschlagung, Knickung, Brechung oder dem Ausspülen von Pflanzen oder Pflanzenteilen oder dem Überlagern der Pflanzen mit Erde oder Geröll.
FROST
Die Gefahr Frost liegt bedingungsgemäß vor, wenn eine witterungsbedingte Abkühlung der im Versicherungsvertrag definierten Temperaturen um den Gefrierpunkt vorliegen. In der Frostgefahr ist meist auch die sog. Auswinterung mitversichert. Ein Auswinterungsschaden liegt z. B. vor, wenn Frost sowie Eis und Schnee auf überwinternden, noch nicht erntefähigen Kulturen zu Schaden führen. Der versicherte Schaden ist dann z. B. die Schädigung von Pflanzen oder Pflanzenteilen aufgrund von Frost durch Erfrieren oder das Ersticken infolge einer Eis- und Schneedecke oder bei Auffrieren des Bodens.
TROCKENHEIT
Die Gefahr Trockenheit wird in den Vertragsbedingungen definiert und wird bedingungsgemäß angenommen, wenn die Niederschläge einen für die jeweilige versicherte Frucht kritischen Niederschlagswert (Triggerwert) unterschreiten. Die Niederschlagserfassung erfolgt i. d. R. mit Daten des DWD oder unternehmensspezifischer Erhebung. Versicherter Schaden durch Trockenheit ist das frühzeitige Absterben der Pflanze oder von Pflanzenteilen bzw. bei Vereinbarung auch vorzeitig abreifendes Erntegut (sog. Notreife).
Dabei ist die Absicherung der Trockenheit am Markt oft eine Indexversicherung und anders als bei den übrigen Elementargefahren keine Schadenversicherung. Das bedeutet, dass die Leistungspflicht des Versicherers an das Eintreten des vereinbarten Index geknüpft ist (z. B. an einen bestimmten Niederschlagswert) und nicht mehr zwingend von einer Schadenbegutachtung abhängt.
Die Anbieter von Trockenheitsversicherungen greifen in den Indices auf unterschiedliche Parameter zur Leistungsauslösung zurück oder verarbeiten diese in ihren Triggerwerten. So wird z. B. die Bodengüte, vorhandene Feldkapazität, Wasserspeicherfähigkeit des Bodens und Anzahl von Hitzetagen über 30 Grad Celsius berücksichtigt. Natürlich sind die Triggerwerte für jede Pflanzkultur und Region damit unterschiedlich.
Die Nachfrage der Landwirte insbesondere zur Absicherung von Trockenheitsoder Frostrisiken ist zumeist noch zurückhaltend, da risikobedingt sehr hohe Prämien abschrecken und die neuen Versicherungsmechanismen und Leistungsvoraussetzungen noch mit Skepsis und von den Kunden abwartend betrachtet werden. Dabei hat sich die Mehrgefahrenversicherung europa- und weltweit längst etabliert. Mit einer in nahezu ganz Europa teils schon jahrzehntelang praktizierten staatlichen Förderung der Landwirte sind auch die risikobedingt hohen Prämien für die Landwirte finanzierbar.
PRAKTIKERTIPP
01
Setzen Sie sich mit der individuellen Risikotragfähigkeit Ihres Betriebes und der regionalen Gefährdung Ihrer Betriebsflächen auseinander. Bedenken Sie die sich durch den Klimawandel verändernden Anbau- und Wirtschaftsbedingungen für Ihren Betrieb.
02
Informieren Sie sich über mögliche Risikovermeidungsstrategien, die betriebsindividuell unterschiedlichste Stoßrichtungen aufweisen können. Beachten Sie, dass unterschiedliche staatliche Förderprogramme angeboten werden.
03
Lassen Sie sich frühzeitig beraten, informieren Sie sich möglichst umfassend. Bedenken Sie, dass Versicherungsprämien wie viele andere Investitionen Ihres Betriebes letztlich auch nur steuerlich relevante Betriebsausgaben darstellen.
04
Auch wenn es bei Landwirten unbeliebt ist – das „Kleingedruckte“ ist entscheidend: Vergleichen Sie die Leistungsangebote, -voraussetzungen, den Leistungsumfang und die Schadenermittlungsmethoden Ihres Versicherers, vor allem bei der Mehrgefahrenversicherung.
ZEITENWENDE
… in der Ernteversicherung Deutschlands? Staatliche Förderung für Landwirte(!)
Wie dargelegt, ist die (kalkulatorische) Absicherung von sich dynamisch entwickelnden Elementargefahren für Anbieter wie Nachfrager eine Herausforderung neuer, ungeahnter Dimension. Die staatliche Förderung von Landwirten beim Abschluss von Ernteversicherungen hat weltweit und in Europa schon jahrzehntelange Tradition, die in der Bundesrepublik Deutschland lange abgelehnt wurde. Bis heute ist der Bund nicht bereit, sich an einer Förderung der Landwirte zu beteiligen. Auf Länderebene scheint durch die zum 01.01.2023 vorgenommene Förderung der Landwirte bei Absicherung von Elementargefahren für pflanzliche Kulturen durch den Freistaat Bayern nun Bewegung in die Absicherungsbereitschaft der Landwirte zu kommen. Mehrere Bundesländer legen nun im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach. Oft ist die Förderung noch – anders als in Bayern – auf bestimmte Kulturen beschränkt. Die von Bundesland zu Bundesland abweichenden Förderrichtlinien und -budgets deuten leider darauf hin, dass der in diesem Fall nachteilige Föderalismus auch die Förderung der Ernteversicherung erfasst.
Aus Sicht der deutschen Landwirte wie der Ernteversicherer bleibt nachdrücklich zu fordern, dass – entsprechend der weitgehenden Harmonisierung der Versicherungsbedingungen und Vorgehen in der Schadenregulierung – sich die Förderrichtlinien der Bundesländer kurzfristig angleichen und weiterentwickelt werden. Zur Zukunftssicherung des Berufsstandes deutscher Landwirte und der Begründung gleicher Wettbewerbsvoraussetzungen im heute internationalen Agrarmarkt ist es unabdingbar, dass sich auch der Bund zur Mitfinanzierung der Risikoabsicherung der Landwirtschaft spürbar, nachhaltig und verlässlich beteiligt.
FAZIT
• Kein Berufsstand ist den durch den Klimawandel hervorgerufenen Veränderungen so unmittelbar ausgeliefert wie der Landwirt.
• Der landwirtschaftliche Unternehmer betreibt „seine Werkstatt unter freiem Himmel“. Er kann seinen Betrieb mit den bewirtschafteten Flächen nicht wie z. B. die Industrie an günstigere Standorte verlagern.
• Anpassungsstrategien sind höchst betriebsindividuell, regional unterschiedlich, erfordern aber stets sehr hohe Investitionen und verlässliche Rahmenbedingungen.
• Die Bundesrepublik Deutschland hat auch im Agrarsektor die Zeichen des Klimawandels lange ignoriert und im Vergleich zu nahezu allen EU-Mitgliedern die Unterstützung der Landwirte bei der Absicherung von Ernteerzeugnissen bis heute unterlassen.
• Das Engagement der Bundesländer, Landwirte bei Absicherung zu unterstützen, ist der einzig richtige Weg, wenn in Deutschland bei internationalem Markt und nahezu europa- wie weltweiter Förderung die Landwirtschaft Zukunft haben soll.
• Es ist unabdingbar für eine Agrarnation wie Deutschland, dass die Bundesrepublik vertreten durch die Bundesregierung sich dieser Aufgabe annimmt und nachhaltig, verlässlich, dauerhaft und ohne parteipolitisch motivierte Auflagen eine Absicherung der Landwirte auch gegen Naturgefahren finanziell fördert.
Raimund Lichtmannegger,
Versicherungskammer Bayern, München