Bei Bränden oder Unfällen in teilverbauten Räumen verdienen sie besonderes Augenmerk. Das Brand- und Explosionsverhalten von Wasserstoff ist unter idealen Laborbedingungen vielfach untersucht worden. Da insbesondere im Straßenverkehr Wasserstoff ein Exot ist, liegen allerdings so gut wie keine Erfahrungen bei realen Unfallszenarien vor. In diesem Artikel werden einige Gefahrenpotenziale bei unterschiedlichen Szenarien aufgezeigt.
Wasserstoff wird als Energieträger im Straßenverkehr wohl in absehbarer Zeit zur Alltäglichkeit werden, da er CO2-frei erzeugt werden kann und bei der energetischen Nutzung kein CO2 anfällt. Er hat als Energieträger nebst dem Batterieantrieb damit ein Alleinstellungsmerkmal, da alle anderen infrage kommenden Energieträger kohlenstoffhaltig sind und bei der energetischen Nutzung CO2 freisetzen.
Energieinhalt und Speicherung
• Unter den Brennstoffen weist Wasserstoff den höchsten massenbezogenen Heizwert von 120 MJ/kg auf, der rund dreimal höher als bei Benzin (ca. 41 MJ/kg) ist. Da Wasserstoff aber das Gas mit der geringsten Dichte ist, beträgt der volumetrische Heizwert weniger als ein Tausendstel von Benzin.
• Wasserstoff kann verflüssigt bei –253 °C gespeichert werden, die Dichte beträgt dabei 70 kg/m3. In den thermisch gut isolierten Tanks liegt nur ein geringer Überdruck vor, Abdampfverluste sind unvermeidlich.
• In großen Stahldruckbehältern wird Wasserstoff bei 200 bar komprimiert, in faserverstärkten Kunststofftanks hingegen bei 350 oder 700 bar. Bei 350 bar beträgt die Dichte bei Umgebungstemperatur etwa 24 kg/m3, bei 700 bar nur etwa 40 kg/m3. Zum einen erhöht der steigende Druck nicht mehr in gleichem Maße die Dichte und damit die gespeicherte Menge an H2, da das ideale Gasgesetz bei so hohen Drücken nicht mehr gültig ist. Zum anderen steigt das Gewicht der Speicher wegen der höheren Kräfte an, sodass das Systemgewicht bei höheren Drücken ungünstiger ausfällt.
• Wasserstoff kann auch in Medien wie z. B. Metallhydriden, die ihn wie einen Schwamm aufnehmen, gespeichert werden. Allerdings sind diese Speichersysteme zur Zeit noch zu schwer oder noch nicht ausgereift, um im Pkw zum Einsatz zu kommen.
Wasserstoffbevorratung im Pkw
Da Speicherplatz in Form der Tankgröße nur begrenzt zur Verfügung steht, ist der Energieinhalt nicht nur nach Gewicht, sondern auch nach Volumen relevant.
Wasserstoff wird im Pkw in der Regel bei 700 bar gespeichert. Die Druckbehälter werden, ebenso wie die für Erdgas, aus CFK/GFK (sog. Typ-3- oder Typ-4-Behälter) gefertigt. Die Kräfte, denen z. B. ein 75 Liter fassender zylinderförmige Druckbehälter bei 700 bar standhalten muss, sind hoch:
Der Behälter wird mit einer Kraft, die einem Gewicht von rund 2.000 Tonnen entspricht, auseinandergedrückt.
Brandverhalten von Wasserstoff
Luftschiff Hindenburg |
Bereits im Jahr 1937 zeigte sich die Gefahr von Wasserstoff, als das Luftschiff Hindenburg in Brand geriet. Doch so verheerend die Auswirkung auch war, aus verbrennungstechnischer Sicht war der Brand als moderat einzustufen, da die rund 190.000 Kubikmeter (17 Tonnen) Wasserstoff in reiner, nicht mit Luft vermischter Form in gasdichten Hüllen mitgeführt wurden. Der Wasserstoff musste sich erst mit der Luft vermischen, um zu verbrennen. Insgesamt verging knapp eine Minute, bis der Wasserstoff verbrannt war.
Tschernobyl und Fukushima |
Konträr dazu verhält sich der Abbrand von Wasserstoff, wenn er mit der Luft bereits eine zündfähige Mischung gebildet hat, denn daraus ergibt sich eine völlig andere Dynamik. Diese zeigte sich 1986 in Tschernobyl und 2011 in Fukushima. In beiden Fällen kam es zur Explosion (Deflagration oder Detonation) eines Wasserstoff-Luft- Gemisches, welche jeweils die äußere Hülle des Reaktors zerstörte.
Für das Schadenspotenzial eines Brandszenarios ist also wesentlich, ob der Wasserstoff vor der Entzündung bereits mit Luft vermischt ist oder ob er sich während des Brandes kontinuierlich mit der Luft vermischt.
Verbrennungstechnische Eigenschaften
Wasserstoff weist bei manchen Eigenschaften Spitzenwerte auf, die je nach Szenario das Gefahrenpotenzial verringern oder aber auch erhöhen können:
• Wasserstoff ist das leichteste Gas überhaupt (Dichte 0,09 kg/m3)
• Größte Bandbreite eines brennbaren Mischungsverhältnisses: Wasserstoff verbrennt, wenn er in einer Konzentration zwischen 4 % (UEG) und 77 % (OEG) in der Luft vorliegt.
• Wasserstoff weist die höchste Flammengeschwindigkeit auf (rund eine Größenordnung höher als bei Erdgas oder Benzin).1
Die Besonderheit von Wasserstoff liegt darin, dass die Verbrennung in vorgemischter Form auch bei relativ geringen Mengen anders als von herkömmlichen Gasen gewohnt verlaufen kann.
In der Grafik sind die Druckverläufe über der Zeit aufgetragen. Die blaue Kurve zeigt den Verlauf bei einer langsamen, die violette bei einer schnellen Deflagration und die rote den Verlauf bei einer Detonation. Eine Detonation hat die höchsten Drücke innerhalb kürzester Zeit (bis zu 16 bar, entsprechend einem Gewicht von 160 Tonnen/m2), Deflagrationen hingegen verlaufen langsamer bei etwas moderateren Drücken.
• Wasserstoff neigt auch bei geringen Mengen zur Deflagration und sogar zur Detonation. 2, 3
Eine Detonation von 1 kg Wasserstoff hat eine vergleichbare Auswirkung einer Explosion von 1 kg bis 28 kg TNT zur Folge.
Um derart hohe Drücke bei einer Detonation zu erreichen, wird unter idealen Versuchsbedingungen vor der Zündung Wasserstoff mit Luft homogen vermischt. Bei einem realen Unfall- oder Brandszenario ist es nahezu ausgeschlossen, dass solche idealen Mischungsverhältnisse vorliegen. Das Auftreten einer Deflagration allerdings ist unter realen Bedingungen bei mehreren Szenarien möglich.
Brandverhalten von Typ-3-/Typ-4-Druckbehältern aus faserverstärktem Kunststoff
Bei einer äußeren Beflammung eines faserverstärkten Druckbehälters werden die Schichten von außen nach innen hin beschädigt, wodurch die Festigkeit abnimmt und der Behälter bersten kann. Eine Sicherheitsvorrichtung ist bei den Druckbehältern vorhanden: Ein temperaturauslösendes Ventil, das TPRD (temperature pressure relief device). Wird das Glasfässchen bzw. Schmelzlot des TPRD auf etwa 110 °C erhitzt, lässt es das Gas innerhalb kurzer Zeit kontrolliert abblasen. Bei der Normbeflammung über einem Wannenfeuer funktioniert dies, bei einem realen Brand mit nicht-homogener Befeuerung ist eine 100%ige Zuverlässigkeit jedoch nicht gewährleistet.
Erfahrung mit baugleichen Druckbehältern von CNG-Fahrzeugen
In Deutschland beträgt der Anteil an erdgasbetriebenen Pkw zwischen 2011 und 2021 stets um die 80.000 Pkw 5 bei einem Gesamtbestand zwischen 40 und 45 Mio. Pkw. Somit ist rund jeder 500. Pkw mit CNG ausgerüstet. Pro Jahr brennen im Schnitt 15.000 Pkw (nicht eingerechnet Schmorbrände), statistisch sind daran 30 CNG-Fahrzeuge beteiligt.Eine genaue Statistik über Tiefgaragenbrände ist nicht erhoben, aber bei im Schnitt 30 brennenden CNG-Fahrzeugen jährlich sind brennende CNG-Fahrzeuge in Tiefgaragen oder Tunneln sicherlich eine Seltenheit. Es gibt also wenig Erfahrung mit brennenden CNG-Fahrzeugen in teilverbauten Räumen.
Im Folgenden werden Unfall- oder Brandszenarien mit wasserstoffbetriebenen Pkw skizziert.
Unfall oder Brand im Freien
Hier besteht durch Wasserstoff keine besondere Gefahr, da er bei Leckage aufgrund seiner geringen Dichte nach oben hin wegsteigt. Es kann sich also schwerlich eine zündfähige Mischung ausbilden — und selbst wenn sich eine solche bildet, wird bei der Zündung kein kritischer Druck erreicht werden. Das Gefahrenpotenzial bei der Beteiligung von Wasserstoff gegenüber einem CNG-Fahrzeug ist hier also vergleichbar.
Unfall oder Brand in Tiefgarage
1. Leckage aufgrund Bauteilversagens oder Unfall: Aufgrund des hohen Auftriebs steigt Wasserstoff nach oben. Ein kurzzeitiges Fluten der Lüftungsanlage mit ex-fähigem Gemisch ist theoretisch möglich. 6
2. Verkehrsunfall mit Bersten des Druckbehälters: Aufgrund der moderaten Geschwindigkeiten der Fahrzeuge ist dieses Szenario praktisch ausgeschlossen.
3. Brand: Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist sehr hoch. Im günstigsten Fall bläst der beflammte Druckbehälter kontrolliert ab. Wenn nicht, kann es zum Bersten des Behälters kommen, weil die Struktur durch den Brand geschwächt wird, der Wasserstoff sich mit hohem Druck der Umgebungsluft vermischt und gleichzeitig brennt. Hierzu sind dem Autor keine experimentellen Versuchsreihen bekannt, es besteht diesbezüglich also Forschungsbedarf. Bei diesem Szenario besteht die Möglichkeit einer Deflagration. Die dabei entstehenden Drücke können dabei einige bar Überdruck erreichen.
Unfall oder Brand im Tunnel
Brand oder Leckage unterscheiden sich nicht von dem zuvor genannten Fall in der Tiefgarage.
Ein Unfall mit hoher Verformung der Unfallfahrzeuge ist möglich, wenn z. B. ein Laster ungebremst auf ein Stauende auffährt. Dabei könnte der Druckbehälter bersten und der Wasserstoff sich mit der Luft vermischen, bevor er sich entzündet.
Das wohl kritischste Szenario, da sich entstehende Drücke im Tunnel aufgrund der baulichen Gegebenheiten praktisch erst nach Erreichen der Portale abbauen können.
LITERATUR
[ 1 ] J. Warnatz, U. Maas, R.W. Dibble: Verbrennung, 3. Auflage, Springer Verlag
ISBN 3-540-42128-9, 2001
[2] http://www.hyresponse.eu/public_deliverables/D6.3_HyResponse_EuropeanEmergencyResponseGuide_V10-20161031_FinalVersion.pdf
[3] http://www.hyresponse.eu/files/Lectures/Dealing_with_hydrogen_explosions_notes.pdf
[4] N. Hupp et al: Influenece of fire intensity, fire impingement area and internal pressure on the fire resistance of composite pressure vessels for the storage of hydrogen in automobil applications. Fire Safety Journal 104 (2019)
[5] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150913/umfrage/erdgas-pkw-indeutschland/
[6] D. Schelb und T. Jordan: Besonderheiten und Risiken bei alternativ angetriebenen
Fahrzeugen. Forschungsbericht Nr. 159. https://www.ffb.kit.edu/download/Forschungsbericht_159_21_Dez2022_korr.pdf