Von Crime Prevention through environmental Design bis Präventionsplakette
Alle können in ihrer Wohnung oder ihrem Haus mit Einbruchschutz und Brandschutz etwas für die eigene Sicherheit tun. Auch mit Blick auf Mehrfamilienhäuser, Straßenzüge oder ganze Stadtteile kann bereits mit der gestalterischen Planung der Häuser und ihrer Umgebung für eine bessere Sicherheit aller Bürger gesorgt werden. Hier sind Architekturbüros, Stadtplaner und Polizeibehörden gefragt.
Sicherheit in Zeit und Raum
- Kriminalprävention fängt bei der Raumplanung an
- Kooperation von Polizei und Städteplanern gefragt
- Defensible Space: schutzbietender Raum
- CPTED: Crime Prevention Through Environmental Design
- Broken Windows – Verfall schreckt
- Intakte Nachbarschaft – soziale Kontrolle
- Mehrfamilienhäuser: objektive und subjektive Faktoren der Gebäudesicherheit
- „Veilig Wonen“ und „Zuhause sicher“-Präventionsplaketten
Das räumliche Umfeld, die Sozialstruktur und das individuelle Verhalten der Menschen beeinflussen sich wechselseitig. Damit können spezifische Baustrukturen und Nutzungsweisen die Begehung von Delikten hemmen – von Graffiti bis zum Überfall.
Die Veränderung von Tatgelegenheitsstrukturen und eine Erhöhung des Entdeckungsrisikos können zum Beispiel dazu führen, dass Täter ihr Tatvorhaben aufgeben. Hierfür werden städtebauliche Präventionskonzepte benötigt (Bild 1).
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist gefragt
Um städtebauliche Präventionskonzepte zu erarbeiten und umzusetzen, ist Kooperation gefragt – zwischen Architekturbüros, Kommunen, Polizeibehörden sowie weiteren Unternehmen, Behörden und Institutionen. Durch städtebauliche Präventionskonzepte sind alle Fachleute gemeinsam in der Lage, sowohl die objektive Sicherheitslage als auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger positiv zu beeinflussen.
Defensible Space: schutzbietender Raum
Oscar Newman hat die Theorie des Defensible Space – des Schutz bietenden Raums – aufgestellt. Danach soll ein Raum geplant werden mit
- realen und symbolischen Barrieren,
- einem planerisch definierten Bereich der Einflussnahme durch die Bewohner
- sowie Gelegenheiten der natürlichen Überwachung und sozialen Kontrolle.
Aus diesen Kriterien leitet Newman vier Prinzipien der kriminalpräventiven Planung ab: Territorialität, natürliche Überwachung, Image und Milieu. Die planerische Lösung, die diese vier Prinzipien umsetzt, stellen nach Newman sogenannte Mini-Neighborhoods (Mini- Nachbarschaften) dar.
PRINZIP 01: TERRITORIALITÄT
Nach diesem Prinzip wird die Wohnumwelt zoniert und gegenüber Fremden werden durch reale oder symbolische Barrieren Grenzen markiert. Durch das Prinzip der Territorialität wird unter den Bewohnern die Verantwortung für den jeweiligen Raum gefördert.
PRINZIP 02: NATÜRLICHE ÜBERWACHUNG
Mit baulichen Mitteln soll eine natürliche Wachsamkeit in der Nachbarschaft erzeugt werden, z. B. durch die Ausrichtung der Fenster zur Straße hin. So wird die soziale Kontrolle erleichtert und gefördert.
PRINZIP 03: IMAGE
Durch ästhetisch ansprechende und akzeptierte Gebäudeformen und eine entsprechende Umfeldgestaltung lässt sich das Image eines Wohngebietes positiv beeinflussen. Ein positives Image zieht eine Steigerung der privaten Investitionen sowie des Engagements der Bewohnerschaft nach sich.
PRINZIP 04: MILIEU
Dieses Prinzip fordert die städteplanerische Anordnung der Gebäude, ausgerichtet auf eine hohe soziale Kontrolle. Öffentliche Räume und Freiflächen im Wohnumfeld sollen nach den Kriterien „Sichtbarkeit“ und „Überschaubarkeit“ entworfen werden.
ENTWURF: MINI-NEIGHBORHOODS
Mini-Neighborhoods (Mini-Nachbarschaften) setzen als planerische Lösung nach Newman die Prinzipien Territorialität, natürliche Überwachung, Image und Milieu um. Damit zeichnen sie sich durch folgende Merkmale aus:
- vollständiger Überblick der Bewohner über ihre Wohnumwelt
- Zuordnung von Teilflächen zu einzelnen Häusern über die Zonierung von halböffentlichen Übergangsbereichen
- Grenzen zu privatem Raum über reale Barrieren (Bsp.: u-förmige Gebäude, Mauern, Zäune, verschließbare Türen / Tore)
- Markierung der Übergänge zum öffentlichen Raum über symbolische Barrieren (Bsp.: offene Tore, Lichtmasten, kurze Treppenabsätze, Bepflanzung, Wechsel der Bodentextur)
- Größenordnung von drei bis sechs Straßen in Form eines griechischen Kreuzes (eine vertikale, zwei horizontale Straßen)
- einheitliche städtebauliche Rahmenbedingungen (Bsp.: gleiche Haustypen, Hausgröße, Grundstückgröße, Vorgärten, Baumaterialien, Architekturstil, Dichte)
Crime Prevention Through Environmental Design – CPTED
Polizeiliche Empfehlungen zu städtebaulichen Planungen bauen auf Newmans Grundgedanken und der Erkenntnis auf, Kriminalität durch die Gestaltung der Umgebung verhindern zu können.
Das daraus resultierende Konzept der Crime Prevention Through Environmental Design (Kriminalprävention durch Gestaltung der Umwelt) – kurz: CPTED – identifiziert konkrete Faktoren für Kriminalitätsrisiken und beschreibt auf dieser Basis Leitlinien einer kriminalpräventiven Siedlungsgestaltung.
Faktoren für Kriminalitätsrisiken
- unzureichender Lichteinfall und schwache Beleuchtung
- unübersichtliche Nischen im öffentlichen Raum
- Ecken mit illegaler Abfallentsorgung
- isolierte Parkplätze
- Nahverkehr-Haltestellen ohne Anbindung an den Siedlungsbereich
- Störung bei der Nutzung von Plätzen durch Personen mit unerwünschtem Verhalten
Leitlinien einer kriminalpräventiven Siedlungsgestaltung
- Einplanung von Gebäudevorsprüngen (Bsp.: Erker) zur besseren Überschaubarkeit des Wohnumfeldes
- Grenzmarkierungen (Bsp.: Zäune, Mauern, Hecken) ohne Erzeugung von Versteckmöglichkeiten
- strategische Platzierung von Bäumen und Sträuchern zur Verhinderung von wildem Parken und damit von Unübersichtlichkeit
- Anordnung der Fenster hin zu Straßen und Fußwegen zur sozialen Kontrolle
- Außenbeleuchtung der Wege ohne dunkle Bereiche
- nicht zu großzügige Anlage öffentlicher Flächen zur Sicherung der sozialen Kontrolle
- Parkplätze, die sauber und gut beleuchtet sind und im Blickkontakt zu den Wohnungen und Häusern stehen
- kein unkontrollierter Zugang zu halbprivaten / halböffentlichen und privaten Räumen
- offene und gut einsehbare Treppenaufgänge, öffentliche WC-Bereiche, Fahrstühle und Eingangszonen
- gute Einsehbarkeit der Hauszugänge von den Wohnungen aus
Kriminalpräventive Gestaltung von Mehrfamilienhäusern
An die kriminalpräventive Gestaltung des Umfelds schließt sich die kriminalpräventive Gestaltung von Häusern und Wohnungen nahtlos an.
Im urbanen Raum sind es oftmals die Nachbarschaften in Mehrfamilienhäusern, in denen es nicht selten eher anonym zugeht. Viele Menschen – Paketboten, Briefträger, Lieferservice oder einfach Besucher des Hauses – gehen ein und aus.
Hier fallen Fremde nicht sofort auf. Selbst wenn eine Hausgemeinschaft sich vom Sehen kennt und gut zusammenhält – irgendwer wird immer blind auf den Türsummer drücken, wenn unten der vermeintliche Paketbote oder Lieferservice klingelt.
Die polizeiliche Erfahrung zeigt, dass zwei Kriterien für die Sicherheit eines Raums von wesentlicher Bedeutung sind.
Zum einen sind dies fest definierte und gut sichtbare Begrenzungen zwischen den Zonen des privaten, des halbprivaten / halböffentlichen und des öffentlichen Raums.
Zum anderen handelt es sich um die Verantwortung der Bewohner. Fühlen sich die Bewohner für ihre Wohnumgebung verantwortlich, leisten sie natürliche soziale Kontrolle.
Intakte Nachbarschaft
Die Umgebung hat Einfluss darauf, wie Menschen sich verhalten. Zwar konnte bisher empirisch nicht belegt werden, dass Signale der Verwahrlosung wie eine zerbrochene Fensterscheibe den Anfang für einsetzende Kriminalität darstellen (Broken-Windows-Theorie, James Q. Wilson und George L. Kelling), doch illegale Graffiti, ein kaputter Zaun, Vermüllung und Ähnliches können dazu führen, dass Personen dazu verleitet werden, ebenfalls gegen Regeln zu verstoßen (Bilder 2 und 3).
Soziale Kontrolle und Verantwortungsgefühl der Bewohner können Verwahrlosung und Regelverstößen etwas entgegensetzen und das Sicherheitsgefühl der Bewohnerschaft verbessern. Der Ausbau der persönlichen Kontakte zwischen den Anwohnern und die Ausbildung sozial stabiler Hausgemeinschaften gehören damit zu den subjektiven Faktoren der Gebäudesicherheit. Nachbarschaftsfeste können eine geeignete Maßnahme darstellen, um die Anonymität aufzubrechen. Auch eine Hausgemeinschafts-Messenger-Gruppe kann die persönlichen Kontakte und eine einfache Kommunikation untereinander fördern. So lassen sich ggf. Nachbarschaftsinitiativen ins Leben rufen – ob zur Anlage eines gemeinsamen Gemüsebeets im Innenhof oder zur Lösung von Problemen im Wohnumfeld.
Gesicherte Wohneinheiten
Zu objektiven Faktoren der Gebäudesicherheit gehören reale und symbolische Begrenzungen. Konkret kann es sich hierbei um einbruchhemmende Türen, Schließzylinder mit Bohr- und Ziehschutz, Mehrfachverriegelungen, Hakenschwenkriegel und Sicherheitsbeschläge mit Zylinderabdeckung zur Sicherung von (Wohnungs-)Eingängen handeln. Auch einbruchhemmende Fenster und Rollläden können zur sicherheitstechnischen Ausstattung des Gebäudes gehören. Gegensprechanlagen im Idealfall mit Videofunktion, gut ausgeleuchtete und einsehbare Hauseingänge und Treppenhäuser lassen die Bewohner erkennen, wer Einlass begehrt oder sich im Gebäude befindet. Zusätzliche Sicherheit bieten Briefkästen, die von außen zu beschicken und von innen zu entleeren sind (Bild 4).
Blick in die Niederlande
Blickt man in diesem Zusammenhang zu den europäischen Nachbarn, so fällt auf, dass auch die Niederlande sich mit dieser Thematik eingehend befasst haben. Aufbauend auf den Erfahrungen des britischen Programms „Secured by Design“ entwickelte die niederländische Polizei das Sicherheitslabel „Veilig Wonen“. Für Wohnungen, Häuser oder ganze Stadtviertel wird das Sicherheitslabel vergeben, wenn bestimmte Sicherheitsmerkmale, besonders technischer Art, berücksichtigt werden. Seit 1999 wurde die NEN 5096 und 5087, niederländische Normen zum Einbruchsschutz, in die Bauordnung mit aufgenommen, sodass seitdem in den Niederlanden Gebäude nur noch einbruchhemmend gebaut werden dürfen.
Gemeinnütziger Verein schafft Bewusstsein für das Thema Sicherheit
Die Konzepte von „Secured by Design“ und „Veilig Wonen“ greift das Netzwerk „Zuhause sicher“ auf. Seit 2005 arbeiten im gemeinnützigen Netzwerk Zuhause sicher e. V. Polizei und Kommunen, Handwerksbetriebe und Handwerksorganisationen, Industrieunternehmen und Versicherer zusammen, damit Privathaushalte besser vor Einbrüchen und Bränden gesichert werden. Ähnlich wie „Veilig Wonen“ vergibt „Zuhause sicher“ eine Präventionsplakette.
„Zuhause sicher“-Plakette als sichtbares Zeichen
Sind die polizeilichen Empfehlungen zum mechanischen Einbruchschutz umgesetzt, Rauchmelder gemäß Bauordnung installiert, liegt ein Telefon am Bett für den Notfall bereit und ist die Hausnummer gut sichtbar, können Mieter und Eigentümer als sichtbares Zeichen ihres Engagements um die Sicherheit zuhause die Präventionsplakette des Netzwerkes „Zuhause sicher“ erhalten. Der gemeinnützige Verein, der auf Initiative von Polizeibehörden ins Leben gerufen wurde, hat gemeinsam mit den Polizeibehörden, die das „Zuhause sicher“-Konzept nutzen, bereits etwa 12.000 Präventionsplaketten vergeben.
Fazit
Kriminalpräventiver Städtebau lässt sich als interdisziplinäre Aufgabe sehen, die einer frühzeitigen bereichsübergreifenden Kooperation der entsprechenden Akteure, wie Polizei, Städteplaner und Architekten, bedarf. Durch eine geeignete Gestaltung des Umfeldes lassen sich Tatgelegenheiten reduzieren und kann Kriminalitätsentwicklungen wirksam gegengesteuert werden. Vom ganzen Stadtteil über Straßenzüge und Quartiere bis zum einzelnen Objekt kann die gestalterische Planung von Gebäuden und ihrer Umgebung für eine bessere Sicherheit aller Bürger sorgen. Und genau diese Sicherheit ist ein wesentliches Element für Lebensqualität. Lebensqualität wiederum ist ein wesentliches Kriterium bei der Entscheidung für eine Wohnung, ein Haus, ein Viertel, eine Stadt und damit für die Stadtrendite.
Carolin Hackemack M. A. und Kirsten Hüls M. A., Geschäftsführung und Projektleitung der Geschäftsstelle des Netzwerkes „Zuhause sicher“, Münster
WEITERFÜHRENDE LINKS
[ 1 ] Städtebauliche Kriminalprävention: www.zuhause-sicher.de/staedtebau/
[ 2 ] Polizeiliche Beratungsstellen: www.zuhause-sicher.de/beratungsstellensuche
[ 3 ] „Zuhause sicher“-Homepage: www.zuhause-sicher.de
[ 4 ] Einbruchschutz-Kompass: www.zuhause-sicher.de/einbruchschutz-kompass
LITERATUR | QUELLENANGABEN
[ 1 ] Newman, Oscar: Creating Defensible Space, Washington D.C. 1996.
[ 2 ] Wilson, James / Kelling, George L.: The police and neighborhood safety: Broken Windows. 1982.
[ 3 ] Loi, Sabrina: Nachbarschaft. Die Broken-Windows-Theorie. www.planet-wissen.de/gesellschaft/wohnen/nachbarschaft/nachbarschaft-broken-windows-100.html, 2020.
[ 4 ] Städtebau und Kriminalprävention. Eine Broschüre für die planerische Praxis. Hrsg. Zentrale Geschäftsstelle Polizei Kriminalprävention der Länder und Bundes. 2003.