Anforderungen aus dem Starkregenmanagement an die Aufstellung von Bebauungsplänen
Starkregen und Sturzfluten stellen Gemeinden vor große Herausforderungen – sie verursachen immense Schäden und beeinträchtigen das Leben der Menschen. In Bayern etwa belaufen sich die Schäden der letzten 20 Jahre auf über 2 Milliarden Euro. Prävention ist daher entscheidend: Sie ist gesetzlich vorgeschrieben, spart Kosten und wird durch Förderungen unterstützt. Mit diesem Artikel sollen neben einigen Erläuterungen zum Vorgehen beim planungsbegleitenden Starkregenrisikomanagement in einem Entwicklungsprojekt der Stadt Donauwörth die im Rahmen der Bauleitplanung bestehenden kommunalen Handlungsmöglichkeiten zur Risikominimierung gegen Starkregen aufgezeigt werden.
Die Begegnung mit extremen Wetterereignissen wie Starkregen und Sturzfluten ist für deutsche Kommunen zu einer neuen Realität geworden, die die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigt und Schäden verursacht. Zwischen 2002 und 2021 hat jedes zehnte Wohngebäude in Deutschland Schäden durch extreme Regenfälle erfahren. Die Gesamtkosten haben 12,6 Milliarden Euro erreicht, 2,2 Milliarden davon in Bayern.
Aufgrund des Klimawandels haben die Häufigkeit und die Schwere solcher Ereignisse zugenommen. So verursachte allein das Hochwasserereignis im Juni 2024 in Süddeutschland voraussichtlich einen Schaden von geschätzten 2 Milliarden Euro und forderte mehrere Menschenleben.
Laut Schätzungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) könnten sich die Prämien für Wohngebäudeversicherungen in Deutschland in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, falls Präventionsmaßnahmen und die Anpassung an die Klimafolgen nicht konsequent umgesetzt werden. Diese Entwicklung macht deutlich, dass effektive Starkregenmanagementstrategien nicht nur die Gesundheit von Menschen schützen, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit sind. Trotz der Verfügbarkeit von Förderprogrammen ist die Risikominderung von Starkregenereignissen eine komplexe Aufgabe, die aufgrund der oft diffusen Quellen von Überschwemmungen eine intensive Vorhersage und Analyse erfordert. Dies, zusammen mit der Notwendigkeit einer gezielten und kooperativen Planung, die viele verschiedene Stakeholder einbindet, kann zu organisatorischen Herausforderungen führen.
In diesem Artikel wird anhand des Beispiels der Stadt Donauwörth illustriert, wie kommunale Handlungsoptionen innerhalb der Bauleitplanung genutzt werden können, um das Risiko und die Schäden durch Starkregenereignisse zu minimieren. Dabei wird ein Blick darauf geworfen, wie durch gezielte Planungsstrategien und interdisziplinäre Zusammenarbeit präventive Lösungsansätze geschaffen werden können, die nicht nur Schäden begrenzen, sondern auch die Resilienz der städtischen Infrastruktur und der Gemeinschaft als Ganzes stärken könnten.
Grafik 1 | Die Einbeziehung des Starkregenrisikomanagements in den Bebauungsplan ermöglicht eine
direkte Kontrolle der Risikoexposition und ist die Grundlage für Entscheidungen zur Verringerung der
Vulnerabilität. Angepasst für Starkregen aus dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC).
01
Starkregenvorsorge im kommunalen Kontext
Mit der beobachteten Zunahme von Schäden durch vermehrt auftretende Starkregen- und Sturzflutereignisse wächst in der kommunalen Verwaltung das Informationsbedürfnis zu den drohenden Gefahren und den bestehenden Handlungsmöglichkeiten. Der Freistaat Bayern trägt diesem Bedürfnis Rechnung, indem für die Erstellung von Starkregen- und Sturzflutkonzepten seit einigen Jahren Fördermittel zur Verfügung gestellt werden. Diese richten ihren Fokus allerdings nur auf die Gefahrenbeschreibung und Risikominimierung im Baubestand.
Im Bereich der Neuausweisung von Bebauungsgebieten sind keine vergleichbaren Fördermittel vorgesehen. Jedoch sollten auch hier Überflutungsvorsorge und Hochwassersicherheit bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden. Auf diese Weise kann die Risikoexposition präventiv reduziert werden, was kommunale Schutzmöglichkeiten erweitert (Grafik 1).
Die Erstellung von Bebauungsplänen und Flächennutzungsplänen mit dem Ziel, die Überflutungsrisiken bereits in der Planungsphase zu mindern, muss als kommunale Querschnittsaufgabe verstanden werden. Sie erfordert einen intensiven Austausch zwischen allen beteiligten Akteuren (politische Entscheidungsträger, kommunale Fachämter, forst- und landwirtschaftliche Akteure, Fachplaner, Grundstückseigentümer, betroffene Bürger sowie die Rettungs- und Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes).
Durch die Kommune muss gewährleistet werden, dass
• die Funktionsfähigkeit von betroffener wichtiger Infrastruktur sichergestellt ist,
• kommunale Einrichtungen ausreichend geschützt werden,
• durch entsprechende Festsetzungen in Bebauungsplänen von Neubaugebieten zusätzliche Schadenspotenziale vermieden werden,
• bei der Erteilung von Baugenehmigungen die Starkregenproblematik ausreichend berücksichtigt wird.
Handlungsbedarf besteht demnach sowohl in betroffenen Gebieten mit bestehender Bebauung als auch bei der Planung und Errichtung neuer Baugebiete.
Ziele des kommunalen Starkregenrisikomanagements
Im Rahmen des kommunalen Starkregenrisikomanagements sollen vor allem die Bereiche definiert werden, in denen kommunale bauliche Vorsorge-, Schutz- und Unterhaltungsmaßnahmen gegen Überflutungen durch Starkregenereignisse notwendig sind.
Dabei werden folgende Ziele verfolgt:
• Außengebietswasser vom Siedlungsgebiet fernhalten
• Freihaltung von bevorzugten Fließwegen des Oberflächenabflusses in der Siedlungsfläche
• Rückhalt von Oberflächenwasser im Siedlungsgebiet in der Fläche (Außenbereich)
• Unvermeidbares Oberflächenwasser
– gezielt zu schadensfreien oder schadensarmen Freiflächen ableiten
– geordnet und schadensarm im Straßenraum ableiten oder zwischenspeichern
– geordnet und schadensarm in Gewässer und Entwässerungsgräben ableiten
• Risikobereiche mit Gefahr für Menschenleben und Objekte der kritischen Infrastruktur besonders schützen
Der Kommune kommt in der Regel die Rolle des Vermittlers von Informationen zu, die den betroffenen Hauseigentümer in die Lage versetzen soll, sein individuelles Risiko einzuschätzen. Im Einzelnen bedeutet dies:
• die Pflicht zur Information der Bürger über zu erwartende Gefahren (sobald diese ermittelt wurden),
• die Sensibilisierung der Bevölkerung für Schadenspotenziale und Hinweise auf Eigenvorsorge und Elementarschadenversicherung.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sind umfangreiche Untersuchungen des Planungsgebietes und aufwändige hydraulische Berechnungen notwendig. Nur auf Grundlage der so ermittelten Ergebnisse können belastbare Aussagen zu notwendigen Maßnahmen und Festlegungen getroffen werden.
02
Ermittlung der Starkregengefahr am Beispiel des Entwicklungsprojekts Alfred-Delp- Quartier, Stadt Donauwörth
Planungsprozess
Um zu Aussagen über die möglichen Gefahrenbereiche bei großen Niederschlagsereignissen zu kommen, müssen die Abflusssituationen in den betrachteten Gebieten hydraulisch berechnet werden. Methodisch unterscheiden sich diese Berechnungen grundsätzlich von den Hochwasserberechnungen der vergangenen Jahre dadurch, dass jeder Quadratmeter des Einzugsgebietes überregnet wird.
Das heißt, der Abfluss findet nicht nur in den untersuchten Gerinnen und deren Überschwemmungsgebieten statt, sondern, wenn auch nur mit geringen Wassertiefen, im gesamten Untersuchungsgebiet.
Im Gegensatz zu Modellen, die im baulichen Bestand arbeiten, besteht in Neubaugebieten oftmals die Problematik, dass die durch den Laser-Scan erfasste Topographie des Urgeländes durch die geplante Bebauung sehr stark verändert wird. Das digitale Bestandsgeländemodell ist somit für diese Untersuchungen weitgehend unbrauchbar.
Die neue Geländeform wird stattdessen in einem iterativen Verfahren in enger Abstimmung zwischen Planungsteam und Hydrauliker neu entwickelt. Aus der Sicht des Hydraulikers ist das Ziel ein im Hinblick auf die Bewältigung verschiedener Starkregenereignisse optimiertes Planungsergebnis. Relevante Anforderungen aller beteiligten Planungsbüros, wie z. B. Barrierefreiheit, Gebäudenutzung für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen etc., sollen im Hinblick auf eine fließende Planung von Anfang an klar kommuniziert werden.
Zunächst wird eine möglichst präzise Vorhersage der Zieltopographie durch Definition des Straßenraumes und der dazwischen liegenden Bereiche benötigt (Grafik 2). Dies stellt erhöhte Anforderungen an die Konstruktion des Straßenmodells durch den Straßenplaner. Dieser sollte bereits in einer möglichst frühen Planungsphase ein vollständiges dreidimensionales Modell des Straßenraumes mit Profilierung der Parkräume und Fußgängerbereiche erstellen. Wenn in Einzelfällen große Speichervolumina im Kanalsystem vorhanden sind oder geplant werden, können auch gekoppelte Modelle zum Einsatz kommen, mit denen die Wechselwirkungen zwischen Kanalsystem und Oberflächenabfluss abgebildet werden. Datenschnittstellen zwischen den beteiligten Büros sollten in einem möglichst frühen Planungsstadium geklärt werden.
Mit Hilfe dieses Modells können erste Berechnungen erfolgen, die Aussagen über die hydraulische Leistungsfähigkeit der Straßen und damit den Schutzgrad der angrenzenden Grundstücke zulassen. Lassen sich Ausuferungen in die bebauten Bereiche nicht vermeiden, können die errechneten Wasserspiegellagen auf den Baugrundstücken Orientierungswerte für den Schutz der dort zu errichtenden Gebäude liefern, z. B. durch Anpassung der Erdgeschossfußbodenhöhenlage.
Hat die Gemeinde ein Schutzziel für die Baugrundstücke definiert, kann der Straßenraum hydraulisch so optimiert werden, dass Überflutungen der Baugrundstücke erst bei Niederschlagsereignissen oberhalb des definierten Schutzziels erfolgen. Der Bauherr kann damit selbst entscheiden, ob und wie er sich gegen das verbleibende Restrisiko schützt.
Grafik 2 | Datenschnittstellen in einem Starkregenmodell
Drittbetroffenheiten
In größeren Bebauungsgebieten richtet sich der Fokus der Untersuchung jedoch nicht ausschließlich auf die Minimierung der Gefahren im Innern des Gebietes. Viel entscheidender für das Gelingen des Vorhabens ist oftmals der Blick auf angrenzende Bestandsgebiete und die Beantwortung folgender Fragestellungen:
Führen die angedachten Maßnahmen im Neubaugebiet zu Drittbetroffenheiten im
angrenzenden Bestand?
Mögliche Drittbetroffenheiten könnten entstehen, wenn:
• durch die Baumaßnahme in Starkregensituationen Verschlechterungen für angrenzende Grundstücke entstehen,
• durch die Abführung des Abflusses neue oder größere Schäden entstehen,
• der abgeleitete Oberflächenabfluss in den Zielgebieten zu Verschlechterungen führt,
• sich Wassertiefen an kritischen Stellen erhöhen,
• sich Strömungen verstärken, sodass diese eine Gefahr für Leib und Leben darstellen.
Sind negative Auswirkungen zu erwarten, müssen ggf. weitere Anpassungen der
Planung erfolgen.
Karten zur Beschreibung von Gefahren und Risiken
Um Aussagen über die vorhabensbedingten Veränderungen des Abflussgeschehens im Außenbereich der Maßnahme treffen zu können, sind Oberflächenabflüsse sowohl im Istzustand als auch für verschiedene Varianten von Planzuständen zu berechnen. Zunächst können Wassertiefenkarten Hinweise auf Problembereiche geben. Diese beschreiben über die zu erwartenden maximalen Wassertiefen die Überflutungsgefahr
bei den betrachteten Ereignissen. Meist sind dies Ereignisse, die die vorhandenen Entwässerungssysteme und Regenrückhalteanlagen überlasten und zu kräftigen Oberflächenabflüssen führen.
Auf Grundlage der durch hydraulische Berechnung gewonnenen Daten zum Abflussgeschehen können auch weitergehende Aussagen getroffen werden, die in den weiteren Planungsprozess einfließen:
• Die berechneten Wasserspiegellagen können in die Bemessung von Bauwerkshöhen und Sicherheitsabständen einfließen.
• Mit dem ermittelten Abflussvolumen kann die Dimensionierung von Rückhalteräumen und Leitbauwerken erfolgen.
• Die Abflüsse in einzelnen Abflussbahnen dienen zur Bemessung von Entwässerungsbahnen in Gräben, Mulden oder über den öffentlichen Straßenraum.
• Aus der Kenntnis der Fließgeschwindigkeit und der Wassertiefe lassen sich Aussagen über die entstehenden Strömungen und ihre Wirkung auf den Menschen machen.
• Aus der Überlagerung von Gebäudenutzungen mit den prognostizierten Wassertiefen können Problembereiche mit erhöhtem Schadenspotenzial identifiziert und so vorrangig geschützt werden.
Mit Differenzenkarten von Wasserspiegellagen und Fließgeschwindigkeiten werden Bereiche mit vorhabensbedingten positiven und negativen Veränderungen des Abflussgeschehens bei den untersuchten Ereignissen sichtbar.
BEISPIEL BAULEITPLANUNG DES ALFRED-DELP-QUARTIERS
Das geplante Alfred-Delp-Quartier, eine ehemalige Kaserne auf erhöhtem Gelände oberhalb des Donautals in Donauwörth, stellt aufgrund seiner topographischen Besonderheiten eine Herausforderung im Starkregenrisikomanagement dar. Arnold Consult übernahm die umfassende Risikoanalyse und war für die Erstellung des Starkregenmanagementkonzepts im Bauabschnitt 1 verantwortlich.
Die gesetzten Ziele für den Bebauungsplan in Bezug auf Starkregenrisiken bestanden darin, Privatgrundstücke vor intensiven Abflüssen zu schützen, alle Abflüsse schadensarm entweder über den Straßenraum oder in Freiflächen abzuleiten, bestimmte Flächen barrierefrei zu planen und für Anlieger keine vorhabensbedingte Verschlechterung hinsichtlich der Starkregensituation zu erzeugen.
Dank digitaler Modellierungsverfahren war es möglich, die diffusen Starkregenrisiken im gesamten Gebiet für alle Objekte einzuschätzen und dezentrale, risikominimierende Maßnahmen zu verorten. In enger Zusammenarbeit mit den verschiedenen Planungsbüros wurde ein digitales Starkregenmodell erstellt, das die geplanten Straßenprofile inklusive Bordsteinkanten und Parkplätzen, Gebäudeumrissen, Geländehöhen in den Innenhöfen sowie Grünflächenhöhen umfasste. Das gesamte Gelände wurde modelltechnisch überregnet, und die höchsten wahrscheinlichen Abflüsse, entscheidende Fließwege sowie Stauhöhen wurden für Bemessungsereignisse mit hundertjährlicher Wiederkehrwahrscheinlichkeit ermittelt. Um diese dynamischen Verhältnisse und die daraus entstehenden Risiken analysieren und kommunizieren zu können, wurde eine Starkregengefahrenkarte erstellt. Diese Karte illustriert objektscharf die maximalen Wassertiefen und die Fließgeschwindigkeiten (Grafik 3).
Die Identifizierung kritischer Abflusswege und potenzieller Gefahrenbereiche für die Bebauung sowie die effektive Kommunikation der Risiken wird durch diese Darstellung ermöglicht.
Weiterführende Ergebnisse der Starkregenanalyse sind eine Karte zur Darstellung der Strömungsverhältnisse und eine Karte zur Darstellung der Unterschiede zwischen dem Istzustand und geplantem Zustand (Plan-Ist-Karte). Mit Hilfe der Darstellung der Strömung (Produkt aus Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit) konnte festgestellt werden, dass im Plangebiet keine Strömungen auftreten,
die eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben darstellen. Mit Hilfe der Plan-Ist-Karte wurde der Handlungsbedarf in den Anliegergebieten festgestellt und entsprechende Maßnahmen geplant.
Auf Grundlage der Zusammenschau aller Ergebnisse der hydraulischen Analyse wurde ein Maßnahmenplan entwickelt, der direkt in den Bebauungsplan integriert wurde, um das Schutzziel eines hundertjährlichen Starkregenereignisses zu gewährleisten (Grafik 4). Dies umfasste Geländeanhebungen, Anpassung von Erdgeschosshöhen und Gebäudeumrissen, die Gestaltung von Straßenräumen als V-förmige Rinnen zur Optimierung des Abflusses sowie die Dimensionierung von Rückhalteräumen. Ein wesentliches Ziel der Starkregenanalyse ist die Verbesserung der Abflussbedingungen im geplanten Alfred- Delp-Quartier sowie die Sicherstellung, dass keine Verschlechterung für die angrenzenden Anlieger entsteht.
Das Beispiel des Alfred-Delp-Quartiers zeigt, wie durch eine gezielte Starkregenrisikoanalyse und daraus abgeleitete Risikomanagementstrategien eine angepasste Planung das zukünftige Schadensrisiko minimieren und damit die Sicherheit der Bewohner erhöht werden kann.
03
Starkregengefahren durch Festsetzungen in der Bauleitplanung minimieren
Flächen mit besonderen Naturgefahren, die entsprechende bauliche Sicherungsmaßnahmen erfordern, sollten im Flächennutzungsplan gekennzeichnet werden (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 BauGB). Hierzu zählen auch Flächen, die durch
Überschwemmungen oder Wasserabfluss gefährdet sind. Diese Kennzeichnungspflicht bezieht neben Bauflächen auch andere Flächen wie z. B. Verkehrsflächen mit ein.
Darüber hinaus besteht z. B. die Option, in einem separaten Beiplan Vorranggebiete der Starkregenvorsorge auszuweisen, die bei einem anschließenden Bebauungsplanverfahren entsprechend berücksichtigt werden sollen. Die Kennzeichnung im Flächennutzungsplan dient auch dem Hinweis auf die bestehende Gefährdung durch Starkregenüberflutungen an die Eigentümer und Nutzer.
Bei der Konzipierung der Quartierserschließung ist grundsätzlich darauf zu achten, dass die Straßen im Hochwasserfall möglichst lange für Evakuierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Hierbei sind besonders Einrichtungen zu beachten, für die ein erhöhter Evakuierungsaufwand besteht. Dazu gehören beispielsweise Kindertagesstätten, Schulen, Krankenhäuser sowie Senioren- und Pflegeheime, psychiatrische Einrichtungen und Justizvollzugsanstalten sowie Zeltplätze. Von einer Neuansiedlung evakuierungsintensiver Einrichtungen sollte in entsprechend gefährdeten Gebieten abgesehen werden.
Auch im Bebauungsplan sollten Flächen mit der Notwendigkeit baulicher Vorkehrungen gegen Naturgefahren gekennzeichnet werden (§ 9 Abs. 5 BauGB). Festsetzungsmöglichkeiten für den Starkregenschutz (§ 9 BauGB) können z. B. die Freihaltung / Verortung von Flächen für Rückhalt und Versickerung von Niederschlagswasser oder die Festsetzung von vor Bebauung frei zu haltender Grundstücksflächen sein. Dies betrifft insbesondere die Freihaltung der Hauptfließwege des Niederschlagswassers, wie sie in den Starkregengefahrenkarten aufgezeigt werden. Wichtige Bausteine können die Anpassung der Lage von Wohngebäuden, deren Erdgeschossfußbodenhöhen und die Vorsorge für die Kellergeschosse sein.
In gefährdeten Gebieten sollten
• Fluchtmöglichkeiten in höhere Stockwerke offengehalten werden,
• Hausöffnungen (Kellerschächte, Hauseingänge, Tiefgarageneinfahrten …) immer etwas erhöht über Gelände- und Straßenniveau – Keller als dichte Wanne etc. vorgesehen werden,
• zulässige Nutzungen für Bereiche, die im Schadensfall geflutet werden, angepasst werden (z. B. Wohnen ausschließen),
• Aufenthaltsräume im Untergeschoss ggf. explizit nicht zugelassen werden,
• an jedem Gewässer ein Korridor am Ufer frei gehalten und dieser auch vor Wildwuchs (z. B. Gartenhäuschen) geschützt werden,
• Regelungen für die Lagerung von Material (z. B. Holz) und Sonstigem getroffen werden, das im Hochwasserfall weggeschwemmt werden kann und Verklausungen verursacht,
• sensible Nutzungen im Gebiet vermieden werden, z. B.:
– potenziell zu evakuierende Personen, vor allem, wenn sich diese nicht selbst retten können, weil sie z. B. zu jung, zu alt, zu krank, zu schwach sind, oder Aufsichtspflicht besteht,
– Aufenthalt von Personen, von denen Gefahren ausgehen, weil es sich um Strafgefangene oder psychiatrische Patienten handelt,
– größere Einrichtungen (z. B. Schulzentrum oder Bündelung von Kindertagesstätten)
mit einer Vielzahl an Betroffenen.
Um die Ergebnisse von Starkregenuntersuchungen in planerisches Handeln umzusetzen, sind entsprechende Vorgaben in den Bebauungsplänen möglich, wie die Tabelle rechts zeigt. Das aktuelle BauGB bietet damit hinreichende Möglichkeiten, der Überflutungsvorsorge und der städtebaulichen Anpassung an den Klimawandel gerecht zu werden. Für Bestandsgebiete sind die Handlungsoptionen der Bauleitplanung hingegen stark eingeschränkt.
Fazit
Bereits in den Grundzügen der Planung (Parzellierung, Straßentrassierung, Geländemodellierung) müssen Wassergefahren frühzeitig und ausreichend berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollten die Festsetzungs- und
Hinweismöglichkeiten in den Baubauungsplänen konsequent genutzt werden, um zukünftige Schäden und die Risiken für Leib und Leben zu minimieren. Flächenvorsorge in Bezug auf Starkregengefahren hat somit ein großes Potenzial bei der Minimierung von Risiken. Die Kommunen können hierzu über die Bauleitplanung steuernd eingreifen und durch Freihaltung von Flächen oder durch Vorgaben für die detaillierte Planung und Gestaltung von Nutzungen und Bauwerken in Gefahrenbereichen Risiken mindern. Anhand des Entwicklungsprojekts Alfred- Delp-Quartier in Donauwörth wurde aufgezeigt, wie die Planungsschritte bei der Aufstellung des Bebauungsplans durch hydraulische Untersuchungen begleitet und so die Voraussetzungen für risikominimierende Festsetzungen im Bebauungsplan geschaffen wurden. Für alle planerischen Aspekte sollten neben den Hochwassergefahrenkarten zukünftig auch die in den Starkregengefahrenkarten identifizierten Überflutungsbereiche berücksichtigt werden.
Dipl.-Ing. Vita Karoblyte-Smara,
Arnold Consult AG, München
LITERATUR | QUELLENANGABEN
• Sechster Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC), Arbeitsgruppe 1, Kapitel 12, 2021–2023
• Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) (2022): Leitfaden zur Aufstellung von Konzepten zum kommunalen Sturzflut-Risikomanagement, Augsburg
• Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) (2020):
Wassersensible Siedlungsentwicklung, München
• Deutscher Wetterdienst (2019): Klimaentwicklung in Deutschland. Die Klimaentwicklung in Deutschland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts (www.umweltbundesamt.de)
• Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) (2016): Leitfaden Kommunales Starkregenrisikomanagement in Baden-Württemberg, Karlsruhe
• Jarosch, Kathrin. Naturgefahrenbilanz 2023: 4,9 Milliarden Euro Schäden durch Wetterextreme. Gesamtverband der Versicherer, [Online] 28.12.2023
• https://www.gdv.de/gdv/medien/medieninformationen/naturgefahrenbilanz-2023-4-9-milliarden-euroschaeden-durch-wetterextreme–162854