Herausforderung und Lösungen
Bei kommunalen Gebäuden gehört die Blitzschutzanlage seit Langem zur Standardausstattung. Doch ist der normativ geforderte Blitzschutz heutzutage noch ausreichend, um dem gestiegenen Schutzbedarf aufgrund der Zunahme an elektronischen Geräten gerecht zu werden? Der folgende Fachartikel greift diese und weitere Fragen auf und zeigt erweiterte Maßnahmen für eine effiziente Überspannungsschutzstrategie. Denn nur eine gute Planung mit aufeinander abgestimmten Komponenten und eine fachgerechte Installation tragen dazu bei, Schäden durch Blitzeinschläge und Überspannungen zu minimieren.
GEWITTERENTSTEHUNG
Thermik durch hohe Temperatur erzeugt Aufwinde, die Luftfeuchtigkeit mitreißt. Die feuchtwarmen Luftmassen kondensieren in den kälteren, höher gelegenen Luftschichten und es bilden sich Gewitterwolken. Die Bewegungen der Wasser- und Eisteilchen in der Wolke führen zur Polarisierung elektrischer Ladungen. Es bildet sich ein Spannungsfeld, das sich zum Schluss als Blitz von Wolke zu Wolke oder zur Erde entlädt.
Blitzereignisse und Schäden
Im Jahr 2023 wurden rund 316.000 Wolke-Erde-Blitze registriert (Quelle Siemens (BLIDS)). Die Anzahl ist trotz einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr immer noch deutlich niedriger als im langjährigen Jahresmittel (1999–2022 mit 670.000 registrierten Blitzereignissen). Grund für die wieder steigende Gewitterhäufigkeit sind höhere Temperaturen und der feuchtwarme Sommer des letzten Jahres. Mehr Wasser verdunstet und die aufsteigende Feuchtigkeit führt zum Anstieg des Gewitterpotenzials.
Obwohl in den letzten Jahren eine geringere Blitzaktivität verzeichnet wurde, lässt sich eine steigende durchschnittliche Schadenssumme feststellen. Der Grund dafür: Die technische Ausstattung kommunaler Gebäude und verbaute bzw. eingesetzte Elektronik haben stark zugenommen. Zu nennen sind moderne Heiz-, Lüftungs- und Klimasysteme, Gebäudeautomation und digitale Lernsysteme wie Tablets und Whiteboards im Schulunterricht. Hinzu kommen zu schützende Überwachungssysteme sowie Photovoltaikanlagen und Wallboxen (Grafik 1).
Basis-Schutzmaßnahmen
Ein umfassender Schutz von Gebäuden, Personen und elektrischen Geräten setzt sich zusammen aus dem äußeren und inneren Blitzschutz. Nur die sorgfältige Planung und Ausführung in der Montage vermeidet Schäden an der technischen Infrastruktur und mögliche Ausfallzeiten des laufenden Betriebs, sei es in Schulen, Sporthallen oder Rathäusern.
Äußerer Blitzschutz
Der Schutz des Gebäudes gegen Auswirkungen von direkten Blitzeinschlägen, die auch zu einem Brand führen können, ist der äußere Blitzschutz. Der klassische Blitzableiter besteht aus Fangeinrichtungen auf dem Dach, die Blitzenergie „einfangen“. Anschließend wird die Energie über Leitungen auf sicherem Weg zur Erde abgeführt.
Innerer Blitzschutz
Der innere Blitzschutz dient dazu, die technische Ausstattung von Gebäuden sowohl vor direkten Blitzeinschlägen als auch vor Folgeschäden zu schützen, die durch einen Blitzeinschlag in der Nähe des Gebäudes entstehen können. Folgeschäden sind beispielsweise Überspannungen, die sich über Stromversorgungs- oder Telekommunikationsleitungen in das Gebäude übertragen. Ein kompletter innerer Blitzschutz gemäß VDE 0185-305-3 besteht aus dem Blitzschutz-Potentialausgleich, Überspannungsschutz Typ 1 und der Einhaltung von Trennungsabständen zur Vermeidung gefährlicher Funkenbildung (Grafik 2).
Erweiterte Schutzmaßnahmen
Bei kommunalen Gebäuden bestehen besondere Herausforderungen für einen umfassenden Schutz. Die bereits erwähnte technische Gebäudeausstattung, aber auch sicherheitsrelevante Einrichtungen wie Alarmierungsanlagen, die Sicherheitsbeleuchtung und Notstromversorgung sind in das Überspannungsschutzkonzept einzubeziehen. Die Gebäudegröße, Leitungslängen und Datennetzwerke erfordern eventuell weitere Schutzmaßnahmen.
In der Regel beschränkt sich der Einbau von Blitzschutzsystemen gemäß der Norm DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) auf die Montage eines geforderten Blitzstromableiters / Überspannungsschutzes vom Typ 1 im Bereich des Hausanschlusses. Der Typ-1-Ableiter hat die Aufgabe, eine Brandentstehung infolge eines Blitzschlags zu verhindern. Allerdings ist er nicht in der Lage, die Überspannung vollständig auf ein verträgliches Niveau zu reduzieren, obwohl er den größten Teil des Blitzstroms ableiten kann. Aufgrund des Einbauortes und einer evtl. vorhandenen Restspannung bietet er somit keinen vollwertigen Schutz gegen Überspannungen. Für die empfindliche Elektronik ist eine weitere Schutzstufe erforderlich.
Damit digitale Tafeln und EDV-Systeme in Schulen und Verwaltungsgebäuden effektiv vor Überspannungen geschützt werden, sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Darüber hinaus müssen Systeme des technischen Gebäudemanagements geschützt werden, einschließlich der Fernüberwachung und Steuerung von technischer Gebäudeausstattung wie Lüftungs-, Heizungs- und Klimaanlagen sowie Überwachungssystemen.
Auch Photovoltaikanlagen und Wallboxen dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Was all diese Geräte und Anlagen gemeinsam haben, sind empfindliche elektronische Bauteile und Schnittstellen zu Datennetzen. Zu bedenken ist hier nicht nur der Aufwand für Fehlersuche und der Ersatz der beschädigten Hardware, sondern auch eine mögliche Betriebsunterbrechung, z. B. der Ausfall von EDV-Systemen in der Verwaltung. Dies führt in der Regel zu großen Problemen und hohen Folgekosten.
Die Lösung: Ein konsequent durchgeführter Potentialausgleich und Überspannungsschutz für alle in das Gebäude geführten Leitungen (Grafik 3 und 4).
Bei den zu berücksichtigen Maßnahmen dürfen metallische Rohrleitungen, wie Wasser und Heizungsrohre, nicht vergessen werden. Ein direkter Potentialausgleich ist bei elektrischen Leitungen funktionsbedingt nicht möglich. Daher werden Überspannungsschutzgeräte verwendet, die die Verbindung zum Potentialausgleich bei einer Überspannung für einen Bruchteil einer Sekunde herstellen.
Damit ein wirksamer Schutz vor Überspannung gewährleistet ist, müssen Schutzgeräte nicht nur an zentralen Versorgungsleitungen installiert werden, sondern auch an Verbindungsleitungen zu anderen Gebäudeteilen, Nebengebäuden, der Parkplatzbeleuchtung oder den Leitungen von Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach. Nicht genutzte Adern von mehradrigen, gebäudeüberschreitenden Leitungen und Kabelschirme sind zu erden.
SCHUTZSTUFEN DES INNEREN BLITZSCHUTZES
Ein sinnvolles Überspannungsschutzkonzept reduziert Überspannungen stufenweise und muss entsprechend der Auslegung der drei unterschiedlichen Schutzgeräteklassen installiert werden. Die Überspannung wird auf die Höhe des Schutzpegels begrenzt.
Bei der Planung und Installation ist auf die energetische Koordination zu achten. Jede Schutzstufe leitet nur die Energie ab, für die das Überspannungsschutzgerät ausgelegt ist. Denn eine fehlerhafte Abstimmung kann dazu führen, dass schwächere Schutzstufen überlastet werden. Der Einsatz von Schutzgeräten eines Herstellers reduziert dieses Risiko und notwendige Berechnungen lassen sich vermeiden.
Wichtig! Es sind alle Energie- und Datenleitungen zu beschalten! Bei Geräten, die beispielsweise über das Stromnetz und einen Datenanschluss betrieben werden, müssen jeweils beide Anschlüsse mit Überspannungsschutz versehen werden.
Maßnahme mit dem höchsten Schutzziel
Eine optimale Lösung zum Schutz vor Blitzeinschlägen ist die Umsetzung eines Blitzschutzzonen- Konzepts gemäß der VDE 0185-305-4 (Grafik 5). Allerdings ist eine vollständige Implementierung in bestehenden Gebäuden oft nicht möglich.
Eine alternative Möglichkeit besteht darin, eine „lokale Blitzschutzzone“ für beispielsweise einen Technik- oder Serverraum zu erstellen. Dadurch können die Betriebssicherheit und der Schutz empfindlicher Geräte verbessert werden. Hierfür sind Schirmungsmaßnahmen und die Montage von Überspannungsschutz am Zonenübergang notwendig. Bei Neubauten empfiehlt es sich, bereits in der Planungsphase ein Blitzschutzzonen- Konzept zu erarbeiten.
Fazit
Zum Schutz der technischen Gebäudeausrüstung gegen Überspannungen sind die in der Norm VDE 0185-305-3 geforderten Überspannungsableiter Typ 1 nicht ausreichend.
Weitere Maßnahmen sind notwendig, um die technische Gebäudeausrüstung umfassend vor Überspannungen zu schützen und einen störungsfreien Betrieb der Sicherheits- und Anlagentechnik zu gewährleisten. Überspannungsschutzgeräte lassen sich im Bestand i.d.R. einfach und kostengünstig nachrüsten. Für neue Gebäude sind angemessene Schutzmaßnahmen frühzeitig in der Planungsphase zu berücksichtigen.
Dietmar Höwische, Hauptabteilung Schadenprävention & Risikobewertung im Provinzial Konzern, Münster
LITERATUR | QUELLENANGABEN
[ 1 ] NMVVTB 2023-1
[ 2 ] SBauVO
[ 3 ] DIN EN 62305-3 und -4 (VDE 0185-305-3 und -4)
[ 4 ] DIN VDE 0100-443 (VDE 0100-443)
[ 5 ] DIN VDE 0100-444 (VDE 0100-444)
[ 6 ] DIN VDE 0100-534 (VDE 0100-534)
[ 7 ] DIN VDE 0845 (VDE 0845)
[ 8 ] VdS Richtlinie 2010: 2021-02 (06) „Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz“
[ 9 ] VdS Richtlinie 2031: 2021-02 (08) „Blitz- und Überspannungsschutz in elektrischen Anlagen“
[ 10 ] VDE-Informationen: Was ist der Unterschied zwischen Blitzschutz nach VDE 0185-305-3 und VDE 0185-305-4
[ 11 ] DEHN-Blitzplaner