
Schadstoffe nach Bränden von Lithium-Ionen-Akkus
Lithium-Ionen-Akkus spielen eine immer größer werdende Rolle in unserem alltäglichen Leben und sind häufig auch dort anzutreffen, wo manch einer diese zunächst nicht vermuten würde. Mittlerweile wird es zu Hause kaum noch einen Raum geben, in dem sich nicht irgendwo auch ein Gegenstand oder eine Installation befindet, in der Lithium-Ionen-Akkus verbaut sind.
Die elektrische Zahnbürste im Badezimmer, das ferngesteuerte Auto im Kinderzimmer oder das Mobiltelefon als Wecker neben dem Bett im Schlafzimmer sind nur ein kleiner Teil der möglichen Anwendungen von einzelnen Lithium- Ionen-Akkus in alltäglich verwendeten elektrischen Verbrauchern. In größeren Verbrauchern wie Werkzeug, Gartengeräten oder E-Bikes sind meist Akkupacks verbaut. Diese bestehen aus einem Zusammenschluss mehrerer Akkuzellen.
Die größten Lithium-Ionen-Akkus, die uns im Alltag begegnen, sind in Elektrofahrzeugen sowie den üblicherweise mit Photovoltaik-Anlagen gekoppelten Hausspeichern zu finden.
Entwickelt sich ein Brand im Bereich eines Lithium-Ionen-Akkus, kommt es zum Abbrand sowie zur Freisetzung der Komponenten des Akkus. Entscheidend ist dabei gar nicht mal, ob die Brandursache auf den Akku selbst zurückzuführen ist, also beispielsweise infolge eines thermischen Durchgehens („Thermal Runaway“) beim Aufladen des Lithium- Ionen-Akkus oder ob der Brand erst in der Folge auf den Lithium-Ionen-Akku übergreift. Aufgrund der hohen Energiedichte und der im Lithium-Ionen-Akku üblicherweise verbauten Materialien ist der Schadensablauf bei beiden Szenarien mit einem oftmals stichflammenartigen Abbrand des Lösungsmittels und einem damit einhergehenden Verteilen der als Feststoffe vorliegenden Kathoden- und Anodenmaterialien ohnehin weitgehend identisch und kaum unterscheidbar (Bild 1).
Um einschätzen zu können, was im Brandfall durch einen Lithium-Ionen- Akku überhaupt freigesetzt werden kann, muss man sich den Aufbau derartiger Akkus näher ansehen. Zunächst muss angemerkt werden, dass es mittlerweile zahlreiche Bauweisen mit unterschiedlichen Zusammensetzungen gibt. Im Wesentlichen bestehen Lithium-Ionen- Akkus wie bei Batterien üblich aus einer Anode, einer Kathode sowie einem Elektrolyten (Bild 2 und Informationen zum „Lithiumionen-Akku“).

LITHIUMIONEN-AKKU
AUFBAU & MATERIALIEN
Die Stromableiter der Elektroden (Anode und Kathode) bestehen aus Kupfer- bzw. Aluminiumfolien.
Bei dem Material der Anode handelt es sich in den allermeisten Fällen um reines Graphit (Kohlenstoff), in selteneren Fällen auch in Verbindung mit Silicium. Lithium-Ionen-Akkus mit einer Anode aus Lithiumtitanat kommen bei sehr speziellen Umgebungsbedingungen (z. B. tiefe Temperaturen) zum Einsatz.
Bei dem Kathodenmaterial kommen verschiedene Mischoxide von Lithium mit Cobalt, Nickel und Mangan sowie Eisenphosphat in unterschiedlichen Zusammensetzungen zum Einsatz.
Größere Vielfalt findet man auch bei den verwendeten Elektrolyten. In der Regel handelt es sich hierbei um ein wasserfreies Lösungsmittel, wie beispielsweise Ethylencarbonat, Diethylcarbonat oder Dimethoxyethan, also Verbindungen aus den Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Um diese ansonsten elektrisch weitgehend nicht leitenden Lösungsmittel ausreichend leitfähig zu machen, werden häufig fluoridhaltige Salze (z. B. Lithiumtetrafluoroborat (LiBF4) oder Lithiumhexafluorophosphat (LiPF6)) zugesetzt. Auch polymere Elektrolyte, wie beispielsweise Polyvinylidenfluorid (PVDF), werden verwendet.
Für das Gehäuse sowie den Separator werden häufig speziell angepasste Kunststoffe verwendet.
Toxikologisch relevante Stoffe
Allgemeinverständlich und auch für Nicht-Chemiker nachvollziehbar zusammengefasst, sind im Schadenfall aus den in den Akkus vorhandenen Materialien folgende potenziell toxikologisch relevante Stoffe zu erwarten: Freigesetzte Schwermetalle aus der Kathode (Nickel und Cobalt) sowie fluoridhaltige Komponenten aus dem Elektrolyten, die im Brandfall Fluorwasserstoff (Flusssäure, HF) bilden können. Die übrigen, im Wesentlichen aus den Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zusammengesetzten Komponenten, werden im Zuge eines Abbrands in die typischen Brandfolgeprodukte organischer Materialien umgewandelt, wie sie auch in haushaltsüblichen Gegenständen zu finden sind.
Einordnung in Gefahrenbereiche
Unter anderem anhand der Intensität der Beaufschlagungen, der von brandbedingten Verschmutzungen betroffenen Flächen sowie der aufgrund der Zusammensetzung der Brandlasten zu erwartenden Schadstoffgehalte lassen sich Brandstellen nach den Richtlinien zur Brandschadensanierung (VdS 2357) in die Gefahrenbereiche (GB) 0 bis 3 einordnen. Der GB 3 betrifft per Definition ausschließlich Bereiche, in denen neben dem Vorhandensein von Brandfolgeprodukten zusätzlich mit größeren Mengen an Biostoffen bzw. an Gefahrstoffen oder gefahrstoffhaltigen Produkten zu rechnen ist. Die Einstufung in die jeweiligen Gefahrenbereiche erfolgt dabei in der Regel anhand des Sichtbefunds sowie unter Einbeziehung weiterer Informationen, wie beispielsweise den am Brand beteiligten Materialien. Je höher der Gefahrenbereich ist, in den eine Brandstelle eingestuft wird, desto umfangreicher und somit auch kostenintensiver sind die bei der Sanierung einzuhaltenden Personen- und Umgebungs-Schutzmaßnahmen. Dass eine Brandstelle, auf der es brandbedingt zur Freisetzung von Asbest oder alter Mineralwolle gekommen ist, als GB 3 eingestuft wird, ist hierbei unstrittig und auch für Laien nachvollziehbar. Nur was ist mit anderen Schadstoffen? Ab wann ist eine Brandstelle so „giftig“, dass eine Einstufung in den Gefahrenbereich GB 3 gerechtfertigt ist?
Um die Antwort auf diese Frage verstehen zu können, lohnt sich ein kleiner Exkurs in die Grundlagen der Toxikologie, also der Lehre von Giften. Der unter anderem als Arzt, Naturphilosoph und Laientheologe tätige Theophrastus Bombast von Hohenheim, besser bekannt unter dem Namen Paracelsus (Bild 3) (geboren 1493 oder 1494, gestorben 1541), formulierte einst seinen bekanntesten Ausspruch:
EXKURS
„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei.“

Sinngemäß beschreibt Paracelsus hierbei den auch heute noch in der modernen Toxikologie und Pharmakologie gültigen Sachverhalt, dass es für nahezu alle Substanzen im Hinblick auf deren mögliche gesundheitsschädigende oder gar tödliche Eigenschaften eine entsprechende Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt. Die Prise Salz auf dem Frühstücksei macht das Ei nicht nur schmackhaft, sondern führt dem Körper sogar die für physiologische Vorgänge wichtige Menge an Natrium- und Chlorid- Ionen zu. Bereits die durchaus überschaubare Menge von 100 bis 200 g Speisesalz hingegen kann für einen Erwachsenen jedoch zum Tod führen.
Mit den verschiedenen Genuss- und Lebensmitteln sowie den Arzneistoffen würden sich an dieser Stelle nahezu unbegrenzt weitere anschauliche Beispiele auflisten lassen, deren Aufnahme in den dafür vorgesehenen Mengen und Dosierungen für den menschlichen Organismus lebensnotwendig bzw. mindestens unproblematisch ist, ab einer bestimmten Menge jedoch eine gesundheitsschädigende oder gar tödliche Wirkung besitzt.
Nähere Untersuchung von ausgewählten Brandstellen
Um besser einschätzen zu können, in welchem Ausmaß es infolge eines Abbrands von Lithium-Ionen-Akkus zu einer Freisetzung von relevanten Mengen an toxikologisch potenziell relevanten Stoffen kommt, wurden in der Vergangenheit im IFS einige ausgewählte Brandstellen näher untersucht. Bevorzugt wurden hierbei Brandstellen, bei denen die am Brandgeschehen beteiligten Lithium-Ionen-Akkus einen bedeutenden Anteil hatten. Bei einem der ersten näher untersuchten Fälle kam es infolge von Problemen bei der Installation eines neuen Batteriespeichers zum Abbrand von etwa 70 Kilogramm Lithium- Ionen-Akkus im Keller eines Wohngebäudes. Über das Treppenhaus sowie über Leerrohre elektrischer Installationen kam es in der Folge des Brandes zu einer Verteilung von Brandgasen in nahezu jeden Winkel des Gebäudes. Vertreter des beim Ortstermin anwesenden Herstellers des Batteriespeichers gaben an, dass es sich bei den verbauten Zellen um Lithium-Nickel- Mangan-Cobalt-Akkus (NMC) handeln würde. Weitere Angaben zu den Gehalten der Schwermetalle Nickel und Cobalt sowie dem verwendeten Elektrolyten mit den Leitsalzen wurden mit Verweis auf zu schützende Firmengeheimnisse nicht gemacht (Bild 4).

Sinnvolle Probenahmestrategie
Für eine zielführende Beprobung ist es unerlässlich, zunächst eine sinnvolle Probenahmestrategie auszuarbeiten. Neben einer gezielten Auswahl der Substanzen, deren Gehalte analysiert werden sollen (Analyt), ist hierbei insbesondere auch die Fragestellung der Art und Weise der Probenahme, also ob Material-, Wisch- oder Raumluftproben genommen werden sollen, zu klären. Eine wichtige Rolle bei der Beantwortung dieser Frage spielt dabei die Verfügbarkeit von aussagekräftigen Referenz- oder Vergleichswerten. Das Ergebnis einer Material-, Wisch- oder Luftprobe lässt sich kaum bewerten, wenn zu dem Analyten bislang keinerlei massen-, flächen- oder auf das Luftvolumen bezogene Vergleichswerte bestimmt und veröffentlicht wurden.
Im vorliegenden Fall wurden als Leitsubstanzen für die aus den Akkuzellen freigesetzten Schadstoffe zunächst die beiden Schwermetalle Cobalt und Nickel ausgewählt. Zum Vergleich wurden die Proben auf Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), dem gemäß der VdS 2357 typischen Leitparameter für brandbedingte toxische Schadstoffe untersucht. Auf eine zusätzliche Analyse der beiden ebenfalls in den Akkuzellen vorhandenen Metalle Lithium und Mangan wurde nicht zuletzt auch aufgrund deren im Vergleich zu den beiden zuvor genannten Schwermetallen deutlich verminderter Toxizität verzichtet (Bilder 5 bis 7).



Aufgrund ihrer bekannten und aus toxikologischer Sicht durchaus relevanten schädigenden Eigenschaften sind für die beiden Schwermetalle Nickel und Cobalt zahlreiche massenbezogene Hintergrundgehalte sowie geeignete Grenz- bzw. Richtwerte veröffentlicht. Um in dem vom Brand betroffenen Wohngebäude aussagekräftige und vor allem miteinander vergleichbare Probenergebnisse zu bekommen, wurden aus verschiedenen Bereichen Materialproben von jeweils offen im Raum vorhandenen Baumwolltextilien (z. B. Bekleidung, Geschirrtuch) entnommen. Die Analysenergebnisse sind in der Grafik 1 zusammengefasst.

Die höchsten Schwermetallgehalte wurden in dem direkt an den Brandraum angrenzenden und stark verrußten Treppenflur gefunden. Bereits ein Raum weiter, in dem immer noch deutlich sichtbar brandverschmutzten Badezimmer, lagen die beiden Schwermetallgehalte nahezu um denselben Faktor von etwa 4,5 verringert deutlich darunter. In dem brandbedingt nur minimal beaufschlagten Kinderzimmer lagen die Schwermetallgehalte bereits in der Größenordnung der Nachweisgrenzen. Die Abnahme der PAK-Gehalte der Proben von dem stark rußverschmutzten Treppenflur über das Badezimmer bis hin zu dem nur noch minimal brandbedingt beaufschlagten Kinderzimmer korreliert dabei mit der Abnahme bei den Schwermetallgehalten.
Zur Einordnung der erhaltenen Werte lässt sich beispielsweise die Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV) heranziehen, nach der als Prüfwert für den Wirkungspfad Boden-Mensch in Wohngebieten ein Cobalt-Gehalt von 600 mg/kg und ein Nickel-Gehalt von 140 mg/kg gilt. Weitere Vergleichswerte lassen sich aus den Grenzwerten für die „Standard 100 by Oeko-Tex“-Zertifizierung ableiten, wonach für die Schwermetalle Cobalt und Nickel bei Textilien mit Hautkontakt (Klasse II) maximale Gehalte von 4,0 mg/kg und bei Babybekleidung (Klasse I) maximal 1,0 mg/kg zulässig sind. [2] Massenbezogene Vergleichswerte für PAK lassen sich beispielsweise aus den Technischen Baubestimmungen der Länder [3] ableiten, wonach für bauliche Anlagen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes ein maximaler PAK-Gehalt von 50 mg/kg erlaubt ist. Zum Vergleich wurde in einer Studie des BMELV in Zeitungspapier ein PAK-Gehalt von 2,6 mg/kg ermittelt. [4]
Zusammenfassend wurden demnach bereits in dem stark verrußten und an den Brandraum angrenzenden Bereich Schwermetallgehalte in der Größenordnung der Prüfwerte der Bundesbodenschutzverordnung gemessen. In dem nur noch minimal rußbeaufschlagten Kinderzimmer erfüllten die ermittelten Schwermetallgehalte vor der Durchführung von Reinigungsmaßnahmen sogar bereits nahezu die strengen Anforderungen des Oeko-Tex-Siegels für Babybekleidung.
Pauschalisierung nicht sinnvoll
Das bedeutet natürlich nicht, dass in dem vorliegenden Fall keine Sanierungsmaßnahmen erforderlich waren. Bei der Sanierungsplanung sind generell die allgemeinen brandbedingten Verschmutzungen zu beachten. Eine relevante Freisetzung von speziell auf den Akku zurückzuführende und in der Gefährlichkeit über haushaltstypische Brandlasten hinausgehende Schadstoffe war im vorliegenden Fall jedoch nicht zu beobachten.
Auch auf weiteren Brandstellen, bei denen Lithium-Ionen-Akkus einen wesentlichen Teil der Brandlast ausmachten und vom IFS untersucht wurden, konnten vergleichbare Gehalte und Verteilungsmuster der brandbedingt freigesetzten Schwermetalle beobachtet werden.
Immer wieder zur Sprache kommt bei dem Abbrand von Lithium-Ionen-Akkus die mögliche Freisetzung von Fluorwasserstoff, das im Brandverlauf aus den teils fluorhaltigen Komponenten des Elektrolyten entstehen und in Anwesenheit von Wasser Flusssäure bilden kann. Fluorwasserstoff besitzt mit einem Siedepunkt im Bereich der Raumtemperatur sowie einem vergleichsweise hohen Dampfdruck oberhalb des Normaldrucks eine ausgeprägte Flüchtigkeit. Darüber hinaus reagiert Fluorwasserstoff mit den verschiedensten metallenen und mineralischen Oberflächen rasch zu den entsprechenden weitgehend inerten und toxikologisch meist unbedenklichen Fluoriden.
Dass es während des Brandes bzw. auf einer noch nicht erloschenen Brandstelle beim Abbrand von Lithium-Ionen-Akkus zum zeitweisen Auftreten von relevanten Mengen an Fluorwasserstoff bzw. Flusssäure kommen kann, ist unbestritten. Aufgrund der hohen Flüchtigkeit sowie der Reaktionsfreudigkeit von Fluorwasserstoff ist auf einer erkalteten Brandstelle jedoch nicht mit der Anwesenheit von relevanten Mengen Fluorwasserstoff bzw. Flusssäure zu rechnen. Die im Brandverlauf freigewordenen Mengen an Fluorwasserstoff sind allenfalls als feste Salzablagerungen in Form der jeweiligen Fluoride zu erwarten. Bei den Untersuchungen des IFS von Bränden mit der Beteiligung von Lithium-Ionen- Akkus wurden bislang lediglich geringe Mengen an Fluoriden nachgewiesen.
In der erst im Februar 2024 erschienenen DGUV Information 205-041 „Brandschutz beim Umgang mit Lithium-Ionen-Batterien“ wird unter dem Punkt 6.7 „Brandschadensanierung“ festgelegt, dass es sich bei einem Brand von Lithium-Ionen- Batterien aufgrund krebserzeugender Gefahrstoffe um den Gefahrenbereich 3 handelt.
Die DGUV Information geht in diesem Abschnitt nicht weiter auf Mengen oder mögliche Zusammensetzung der am Brandgeschehen beteiligten Lithium- Ionen-Akkus ein.
Eine pauschale Einstufung einer Brandstelle in einen GB3, allein aufgrund der Beteiligung von Lithium- Ionen-Akkus am Brandgeschehen, steht nicht im Einklang mit den Erkenntnissen des IFS.
Bei den bisher durchgeführten Untersuchungen wurden keine übermäßig erhöhten Mengen an Schwermetallen oder Fluoriden festgestellt. Alle bisherigen Untersuchungen zeigten, dass die im Zuge des Abbrands von Lithium- Ionen-Akkus freigesetzten Schadstoffe wie auch alle anderen brandbedingten Schadstoffe zusammen mit den Rußpartikeln verteilt werden. Eine Beurteilung der Brandstelle anhand des Sichtbefunds ist daher auch bei der Anwesenheit von brandbetroffenen Lithium-Ionen-Akkus als wesentlicher Bestandteil der Bewertung des chemischen Brandfolgeschadens im Sinne der VdS 2357 anzusehen.
Dass es hierbei in besonderen Fällen, zum Beispiel bei der Anwesenheit von ungewöhnlich großen und über das haushaltsübliche Maß hinausgehenden Mengen an Lithium-Ionen-Akkus gegebenenfalls auch zu einer Einstufung einer Brandstelle in den Gefahrenbereich 3 kommen kann, steht außer Frage. Zu beachten ist bei größeren Mengen an Lithium-Ionen-Akkus auf erkalteten Brandstellen neben der diskutierten Schwermetall- und Fluoridfreisetzung sicher auch die Problematik thermisch belasteter, aber noch nicht ausgebrannter Zellen.
Gefahr von innen
Dass beschädigte Lithium-Ionen-Akkus zeitversetzt erst Stunden, Tage oder Wochen nach einem Schadenereignis spontan und ohne einen weiteren äußeren Einfluss unter heftiger Flammenwirkung zu brennen beginnen oder sogar explosionsartig reagieren können, ist allgemein bekannt. Je mehr Lithium- Ionen-Akkus in einem Objekt gelagert waren, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass nach einem Brand noch äußerlich zwar intakte, infolge des Brandereignisses jedoch innerlich bereits geschädigte und somit potenziell gefährliche Akkuzellen vorhanden sind. Betroffen sind hiervon insbesondere Verkaufs-, Lager- oder Servicestätten von Elektrofahrzeugen (Pkw, Fahrräder, Roller), aber zunehmend auch andere Branchen, wie beispielsweise Baumärkte, in denen von Jahr zu Jahr mehr akkubetriebene Geräte verkauft, gewartet oder verliehen werden (Bilder 8 und 9).
Speziell bei der Beräumung der Brandstelle durch ein Sanierungs- oder Entsorgungsunternehmen kann dies eine zusätzliche Gefahr darstellen und gegebenenfalls eine zumindest zeitweise Einstufung der Brandstelle in einen GB3 rechtfertigen.


Letztendlich kommt man aber nicht umher, Brandstellen anhand der VdS 2357 durch einen geeigneten Sachverständigen bewerten und die Sanierungsmaßnahmen gegebenenfalls begleiten zu lassen. Nur hierdurch lässt sich unter Berücksichtigung aller verfügbarer Parameter bewerten, in welche Gefahrenbereiche die Brandstelle einzuteilen ist, welche Sanierungsmaßnahmen zur Beseitigung der brandbedingt freigesetzten Schadstoffe notwendig und welche Schutzmaßnahmen hierfür erforderlich sind. Eine wie von der DGUV Information 205-041 geforderte pauschale Einstufung einer Brandstelle in einen GB3 ausschließlich aufgrund der Tatsache, dass Lithium- Ionen-Akkus am Brandgeschehen beteiligt waren, ist weder zielführend noch im Sinne der VdS 2357. Für eine pauschale Einstufung in einen GB3 ist insbesondere auch die Fragestellung nach der Zusammensetzung und der Menge der Brandlasten zu komplex. Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob es bei einem Brand in einem Wohngebäude zum Abbrand eines Handy-Akkus gekommen ist oder ob in einem Lager eines Fahrradhandels mehrere hundert Kilogramm E-Bike-Akkus am Brandgeschehen beteiligt waren. Ebenso gibt es mittlerweile die verschiedensten Akkutypen, von denen einige, wie beispielsweise Lithium-Eisenphosphat- Akkus, gar keine Schwermetalle enthalten.
Vision
Auch in Zukunft wird es eine Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Akkutechnologie geben. Eines der Ziele der Akkuforschung ist, nicht zuletzt aufgrund der steigenden Rohstoffpreise und der begrenzten Vorkommen, eine Reduzierung bzw. Vermeidung teurer Metalle wie Cobalt, Nickel oder Lithium. So bleibt letztendlich auch die Frage, was in 10, 20, 30 oder 50 Jahren von der heute verwendeten Akkutechnologie mit den darin verbauten, durchaus kritischen Materialien übrig bleibt.
Möglicherweise wird man rückblickend feststellen, dass es sich bei den heute verwendeten Lithium-Ionen- Akkus mit all dem teuren Lithium, den verbauten Schwermetallen und den fluorhaltigen Elektrolyten um eine Zwischentechnologie gehandelt hat, die uns energetisch gesehen vom fossilen Zeitalter mit all den bekannten klimaschädlichen Umständen in eine Ära begleitet hat, in der die Menschheit den Umgang mit klimafreundlichen und ressourcenschonenden Energieformen erlernt hat.
Dr. Michael Kuhn,
Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e.V.,
Bamberg
LITERATUR | QUELLENANGABEN
[ 1 ] Paracelsus, Kupferstich von Augustin Hirschvogel, 1540; gemeinfrei, Https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=330847
[ 2 ] Standard 100 by Oeko-Tex, Anhang 4 (Edition 02.2023 vom 01.04.2023); OEKO-TEX Service GmbH (Zürich, CH)
[ 3 ] Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) Ausgabe 2024/1
[ 4 ] „Ausmaß der Migration unerwünschter Stoffe aus Verpackungsmaterialien aus Altpapier in Lebensmitteln“, Entscheidungshilfeprojekt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Berichtszeitraum 02.03.2010 – 31.05.2012