Wenn in der Küche nicht nur der Braten schmort
VDE bietet Meldeplattform für Vorfälle mit elektrischem Strom
Um die elektrische Sicherheit in Haushalten zu erhöhen und um einen Überblick über sogenannte Beinaheunfälle in Zusammenhang mit elektrischem Strom zu erhalten, hat der VDE ein Formular zur Meldung gefährlicher Vorfälle mit elektrischem Strom etabliert. Unter www.vde.com/stromvorfall-melden können Betroffene einen Stromvorfall melden.
Die Prüfung der Sicherheit von elektrischen Komponenten, Geräten und Systemen ist seit mehr als 100 Jahren das Kerngeschäft des VDE Prüf- und Zertifizierungsinstituts. Hersteller erhalten mit der Prüfung und Zertifizierung ihrer Produkte Rechtssicherheit beim Inverkehrbringen. Verbrauchern und Verbraucherinnen vermittelt das VDE Prüfzeichen → ein sicheres Gefühl bei der Verwendung des gekauften Produktes.
Händler haben die Gewissheit, dass das verkaufte Produkt allen normativen Anforderungen entspricht. Elektroinstallateure können darauf vertrauen, dass das verbaute Installationsprodukt wie z. B. der Leitungsschutzschalter in der installierten Anlage langfristig sicher arbeitet.
Trotz aller Normen, Standards, Prüfungen und Zertifizierungen lässt sich nicht komplett ausschließen, dass von elektrischem Strom immer noch eine Gefahr ausgeht. Verbraucher werden beim Kauf von Elektroprodukten immer wieder neu vor Herausforderungen gestellt: Was soll wo gekauft werden? Wo gibt es verlässliche Informationen dazu? Und wie hoch soll der Preis sein?
Besonders knifflig ist es im Online-Handel mit seinem scheinbar grenzenlosen internationalen Marktplatz mit einem ebenso grenzenlosen Angebot, das zu manchmal grotesken Preisen lockt.
Doch der niedrige Preis kommt nicht von ungefähr: Um Elektrogeräte so günstig anbieten zu können, müssen Hersteller sparen – an Materialqualität, Performanceeigenschaften oder an Sicherheit. Der Kunde vertraut auf die Versprechen der Hersteller oder der Händler, die ihre Produkte anpreisen. Schnell ist bestellt und geliefert, nur noch auspacken und los geht es. Was soll schon passieren?
Unfälle, die mit elektrischem Strom zusammenhängen, werden ganz unterschiedlich erfasst:
- In Kliniken und Krankenhäusern werden Unfälle durch Einwirkung von elektrischem Strom gesondert dokumentiert.
- Das IFS (Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung) als Institution der Sachversicherung führt eine Brandschadenstatistik. Diese basiert auf Brandursachenermittlungen aus dem vergangenen Jahr.
- Die Berufsgenossenschaften erfassen viele Schadensereignisse: Personenschäden durch z. B. einen Stromschlag bei Arbeitsunfall oder Schadensereignisse z. B. bei Brandschäden, resultierend aus einem Brandfall etwa durch ein defektes elektrisches Gerät, mit der Ermittlung von Leistungen durch den Sachversicherer.
Was aber bei diesen ganzen Statistiken völlig im Dunkeln bleibt, sind Vorfälle, bei denen trotz Gefahrensituation kein großer Schaden entstanden ist. Wie oft geht beispielsweise ein Küchengerät durch einen Kurzschluss kaputt, ohne dass es groß registriert wird? So gut wie jeder kann von so einem Vorfall berichten.
Weitere Folgen bleiben allerdings aus. Es gibt keine Gefahrenanalysen und keine Untersuchungen hinsichtlich der Ursachen. Somit lässt sich auch keine Minimierung möglicher Gefahren erzielen. Die Risikominimierung bei der Nutzung von Elektrogeräten und -installationen ist aber ein Hauptanliegen des VDE.
WAS WURDE BISHER GEMELDET?
In den ersten 12 Monaten wurden 61 Unfälle und Beinaheunfälle sowie potenzielle Gefahrenquellen über das Online-Formular gemeldet.
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… bezogen sich auf einen Brand oder eine Brandgefahr durch ein Elektrogerät. Betroffen waren hauptsächlich Küchengeräte, Ladegeräte und Stecker. Einige der Geräte und Installationen waren schon etwas älter, aber auch Neugeräte waren betroffen. Hauptgründe für die Überhitzungen oder auch vorangegangene Beschädigungen waren z. B. Kurzschlüsse oder Materialermüdungen. Doch auch fehlerhafte Handhabung zählte hin und wieder zu den Ursachen.
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In diesen Fällen herrschte nach Einschätzung der Meldenden eine Gefahr für einen Stromschlag oder eine Person hatte sogar einen (leichten) Stromschlag erhalten. In der Mehrzahl sind hier Stecker, Adapter und Netzteile zu nennen. Besonders auffällig hierbei sind Fälle, bei denen Stifte von Steckern abgebrochen und somit spannungsführende Reste in der Steckdose verblieben sind. Des Weiteren wurden Ereignisse gemeldet, bei denen das Gehäuse eines Gerätes unter Spannung stand.
Eigeninitiative wird Verbrauchern schwer gemacht
Wenn man als elektrotechnischer Laie im Internet nach einer Möglichkeit sucht, gefährliche Produkte zu melden, landet man beispielsweise bei der europäischen Datenbank ICSMS. Die Marktüberwachungen der einzelnen Bundesländer können ebenfalls angeschrieben werden. Das Safety Gate Alert System (ehemals Rapex) der Europäischen Union steht mit seinen wöchentlichen Berichten dem interessierten Verbraucher ebenfalls zur Verfügung.
Auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA führt eine Datenbank mit Produkten, die mangelhaft auf den Markt gebracht wurden und von einem Rückruf betroffen sind. Personen, die nicht mit dieser Materie vertraut sind, fällt es aber schwer hier durchzublicken.
Hier beginnt die Unterstützung durch das VDE Institut. Der VDE ist in elektrotechnischen Fachkreisen seit Jahrzehnten federführend im Bereich der elektrischen Sicherheit. 68 % der Deutschen kennen den VDE und sein Sicherheitszeichen. Zusammen mit dem SUF (Ausschuss für Sicherheit und Unfallforschung) entstand die Idee, den Verbrauchern ein Portal zur Verfügung zu stellen, um die erlebten Vorfälle mit elektrischem Strom, ausgelöst durch schadhafte oder mangelhafte Produkte, zu melden. Der einfache Zugang im Webauftritt des VDE Instituts erleichtert es dem Verbraucher, ohne große Recherchen und Hemmschwellen eine Meldung abzugeben. Als zusätzlichen Vorteil haben die Experten im VDE direkt die Möglichkeit, die gemeldeten Vorfälle in interessierten Fachkreisen zu besprechen. Im Folgenden stellen wir ein paar typische Fallbeispiele vor:
4 TYPISCHE FALLBEISPIELE
01 | Netzbetriebener Wasserstandsensor mit WiFi
Beim Herausziehen des Gerätes aus der Mehrfachsteckdose ist einer der Steckerstifte im unter Spannung stehenden Kontakt steckengeblieben. Es hat kein Personenschaden stattgefunden, kein Brand, kein Sachschaden. Gefunden wurde der Steckerstift erst nach mehreren Minuten durch Zufall (Bild 1).
02 | Geräteanschlussleitung mit Kaltgerätestecker 3 x 0,75 mm2
Auffällig wurde diese Leitung bei der Erstprüfung (DGUVV3) des eigentlichen Gerätes, das in Betrieb genommen werden sollte. Festgestellt wurde hier ein Schutzleiterwiderstand von 1,0 Ω und nicht wie gefordert einem Schutzleiterwiderstand von 0,3 Ω bei einer Kabellänge von 1,5 m. Bei weiteren Untersuchungen wurde mit 0,216 mm2 ein viel zu geringer Querschnitt festgestellt.
Zum Vergleich sind auf Bild 2 unten die Aderleitung mit 0,216 mm2 und oben eine Aderleitung mit 0,75 mm2 dargestellt. Eine Prüfung im Zertifizierungsregister des VDE deckt schnell auf: Es handelt sich um eine Produktfälschung. Der Hersteller hat keine Berechtigung zur Nutzung des VDE Zeichens (Bilder 2 und 3).
03 | Tischsteckdose
Diese hat im Onlineshop optisch einen vielversprechenden Eindruck gemacht. Verlockend war ebenfalls die Ausstattung der Mehrfachsteckdose mit der Zusatzfunktion durch USB-Ladeeinrichtungen.
Ein Blick in das Gerät (Bild 4) offenbart jedoch eine ganze Reihe Mängel. Es befinden sich unzureichende Lötstellen an der Platine und an den Kontaktschienen.
Der Schutzleiter ist zwar vorhanden aber abgeschnitten, Kontaktschienen für den Schutzleiter sind nicht vorhanden und die in der Mehrfachsteckdose eingearbeiteten Schutzleiterbügel sind nicht angeschlossen. Die Bügel sind für den Laien von außen sichtbar, von innen aber überhaupt nicht verdrahtet.
04 | Handhaartrockner
Bei der Anwendung des Haartrockners kam es zu einer Geruchsentwicklung. Es roch laut Beschreibung des Meldenden nach verbranntem Plastik. Die Quelle war nicht sofort zu finden und bei der weiteren Verwendung kam es zum Austritt von Funken. Kurz nach dem Knickschutz wurde das Kabel geknickt und die Aderleitung ist gebrochen.
Wie auf Bild 5 zu sehen, ist der äußere Mantel der Anschlussleitung beschädigt.
Fazit
Diese vier Beispiele stellen nur einen kleinen Teil der Fälle dar, die auf unserer Plattform „Stromvorfälle melden“ von Verbrauchern an uns herangetragen wurden. Viele Verbraucher fühlen sich mit der Meldung bei den Marktaufsichtsbehörden „überfordert“.
Viele Verbraucher, die sich bei uns melden, bezweifeln, ob sich die Behörden dafür interessieren, es sei ja nichts passiert. Aber genau das ist die Dunkelziffer an Vorfällen mit elektrischem Strom, die es zu beleuchten gilt.
Daniel Schädel, VDE Prüf- und Zertifizierungsinstitut GmbH, Offenbach
ÜBER DAS VDE INSTITUT
Seit über 100 Jahren gilt das VDE Zeichen als Synonym für Sicherheit und Qualität von elektrotechnischen Geräten, Komponenten und Systemen. Das VDE Institut, eine Tochter der VDE Gruppe, ist weltweiter Partner für Industriekunden, Handel, Behörden, Elektrohandwerk und Verbraucher.
Mehr als 100.000 Geräte pro Jahr unterziehen die unabhängigen Prüfingenieure des VDE Instituts Produkt-, Qualitäts- und Sicherheitstests, bevor sie das VDE Zeichen erhalten. Rund um den Globus überwachen die VDE Experten mehr als 7.000 Fertigungsstätten. Kooperationsvereinbarungen mit über 50 Ländern sorgen dafür, dass die vom VDE Institut durchgeführten Prüfungen international anerkannt sind. Weltweit tragen 200.000 Produkttypen mit einer Million Modellvarianten das VDE Zeichen. Die gemeinnützige VDE Prüf- und Zertifizierungsinstitut GmbH beschäftigt in Offenbach am Main mehr als 500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Mehr Informationen unter www.vde.com/institut