Das neue Zentrum für Brandforschung – Erforschung der Branddynamik vom Labor- bis zum Realmaßstab
Klimawandel, Energiewende, Digitalisierung und demografischer Wandel – die Stadt der Zukunft steht vor großen Herausforderungen, die nur dann gemeistert werden können, wenn Innovationen vorangetrieben werden. Darüber hinaus wird es immer wichtiger, Ressourcen wie Baumaterialien effizienter zu nutzen und die Technologieentwicklung zu beschleunigen. Neuartige Bauweisen und Produkte, wie brennbare nachwachsende Rohstoffe, digital gefertigte Bauprodukte oder Energiespeicher, werden im Rahmen dieser Transformation in die Lebensbereiche des Wohnens und der Mobilität Einzug halten und das Gefährdungspotenzial durch Brände nachhaltig verändern. Um zukünftig sichere Gebäude zu gestalten, ist es deshalb notwendig, die Brandgefahr zu minimieren und die Brandeinwirkung effizient und präzise vorherzusagen.
Um innovative Entwicklungen nicht zu hemmen und die Brandsicherheit in ausreichendem Maße zu berücksichtigen, ist eine interdisziplinäre wissenschaftliche Zusammenarbeit erforderlich. Hier setzt das neue Zentrum für Brandforschung (ZeBra) an (Bild 1). Der im Jahr 2023 eröffnete und mit ca. 25 Mio. Euro geförderte Forschungsbau an der TU Braunschweig bietet ideale Bedingungen, um mit grundlegenden und anwendungsorientierten Forschungsarbeiten den Transformationsprozess der Stadt der Zukunft mitzugestalten. [1] [2]
Das ZeBra bietet optimale Voraussetzungen, um mit experimentellen und numerischen Untersuchungsmöglichkeiten Lösungskonzepte für die verschiedenen Problemstellungen zu entwickeln. Die moderne Ausstattung des Forschungszentrums sucht dabei international ihresgleichen.
Forschungsziele
Um die Brandsicherheit zukünftiger Gebäude und innovativer Produkte zu gewährleisten, ist es entscheidend, das Brand- und Brandausbreitungsverhalten sowie die Auswirkungen auf Menschen und das Gebäude präzise vorherzusagen. Im ZeBra werden experimentelle Methoden und numerische Simulationsansätze entwickelt und angewendet, um drei übergeordnete Forschungsziele zu erreichen:
01 Entwicklung und Validierung experimenteller und theoretischer Methoden als wesentliche Voraussetzung für die Realisierung brandsicherer und ressourceneffizienter Gebäude
02 Durchführung systematischer Forschungsarbeiten zur wissensbasierten Gestaltung und Entwicklung optimierter innovativer Produkte im Kontext des Brandschutzes
03 Substanzielle Verbesserung numerischer und physikalischer Modelle zur Ermöglichung effizienter und belastbarer Brandprognosen
Bisher wurden belastbare Eingangsdaten für Prognosemodelle und ihre Validierung oft nur in kleinem oder mittlerem Maßstab experimentell bestimmt.
Bei Brandversuchen zeigt sich, dass die Skalierung der Wärmefreisetzungsraten sowie die Freisetzung von Brandgasen und -partikeln auf den realen Maßstab auf diesem Weg problematisch ist, was die Zuverlässigkeit der Prognosen in Frage stellt.
01 | EXPERIMENTELLE MÖGLICHKEITEN IM ADVANCED FIRELAB
Um dieses Problem anzugehen und die Entwicklung, Kalibrierung und Validierung von Prognosemodellen zu ermöglichen, verfügt das ZeBra über eine zentrale Experimentiereinheit, das Advanced FireLab (Grafik 1).
Im Advanced FireLab können umfangreiche branddynamische und analytische Untersuchungen durchgeführt werden, die neben der experimentellen Bestimmung thermophysikalisch-chemischer Materialeigenschaften im Kleinmaßstab die Generierung von Brandkennwerten im mittleren und großen Maßstab ermöglichen. Brände mit einer Leistung von bis zu 20 MW können im ZeBra problemlos untersucht werden. Die so gewonnenen Daten werden entscheidende Fortschritte in der Prognose von Bränden und der Entwicklung brandschutztechnischer Maßnahmen ermöglichen.
Die Multi-Skalen-Experimentiereinheit des Advanced FireLab basiert auf fünf Kalorimetern (K):
K1 – Brandleistung bis 10 kW, Cone-Kalorimeter ISO 5660, Materialproben
K2 – Brandleistung bis 2,5 MW, Room Corner Test ISO 9705, Bauprodukte
K3 – Brandleistung bis 20 MW, Großkalorimeter, Brandhaus und Fassadenprüfstände
K4 – Brandleistung bis 20 MW, Großkalorimeter, Freibrand
K5 – Brandleistung bis 5 MW, Batteriekalorimeter, Produkte der Energiewende
Im Cone-Kalorimeter (Kalorimeter 1, nach ISO 5660) werden Materialproben auf der Laborebene untersucht. Das Kalorimeter 2 (Room Corner Test nach ISO 9705) wird für die Untersuchung von Bauprodukten (Wand- und Deckenbekleidungen) eingesetzt. Unter der Haube des Room-Corner-Testraums kann darüber hinaus das Brandverhalten verschiedenster Brandlasten und Objekte bis zu einer Brandleistung von 2,5 MW untersucht werden. Die Großkalorimeter 3 und 4 (Brandlasten mit resultierender Brandleistung bis 20 MW) werden durch eine gemeinsame verschiebbare Haube (12 m x 12 m) angesteuert. Das Kalorimeter 3 (Bild 2) beinhaltet Fassadenprüfstände (DIN 4102-20, -24 und weitere internationale Standards) und ein viergeschossiges Brandhaus zur Untersuchung von Brandausbreitungsphänomenen wie der vertikalen Brandausbreitung über Öffnungen in Fassaden.
Beim Kalorimeter 4 handelt es sich um einen Freibrand-Versuchsstand, in dem beispielsweise die Brandentwicklung von Regallagersystemen, Kraftfahrzeugen oder kleineren Gebäuden untersucht werden können. Über eine integrierte Bodenwaage (9 m x 9 m, bis 24 t) lässt sich in diesem Versuchsstand zusätzlich der brandbedingte Massenverlust bestimmen.
Im Kalorimeter 5 (Batteriekalorimeter für Untersuchungen bis zu einer Brandleistung von 5 MW) können Produkte der Energiewende (Batterien bzw. Speicher, Panel etc.) untersucht werden. Dieser Prüfstand besteht aus einem Übersee- Container, der bedarfsgerecht in das Advanced FireLab integriert werden kann.
Die Mehrskalen-Kalorimeter-Experimentiereinheit wird darüber hinaus mit einer für die Erfassung von Brandgasen erforderlichen Absauganlage mit Rauchgasreinigung ergänzt, in die verschiedene analytische Messverfahren eingebracht werden können. Darüber hinaus ist im ZeBra eine umfangreiche Laborausstattung vorhanden, die die Erfassung thermophysikalisch-chemischer Daten brennbarer Stoffe ermöglicht. Beispielsweise können über die simultane thermogravimetrische Analyse (TGA) und dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) die spezifische Wärmekapazität, Phasenübergänge und reaktionskinetische Modellparameter bestimmt werden. Die Kopplung der TGA-DSC mit einem Gaschromatographen mit Massenspektrometer/ GC/MS) und einem Fourier- Transformations-Infrarotspektrometer (FTIR) ermöglichen darüber hinaus, Brandrauchkomponenten zu identifizieren und zu quantifizieren.
Komponenten, die im Rahmen von Pyrolyseprozessen entstehen, können durch die Kombination von GC/MS mit einem Pyrolysator quantitativ untersucht werden. Hier wird das Probenmaterial kontrolliert zersetzt und dem GC/MS zur Analyse zugeführt. Im ZeBra stehen darüber hinaus Laborgeräte für Elementar-, Gas- und Partikelanalysen und thermische Parameter wie die Wärmeleitfähigkeit und die thermische Dehnung zur Verfügung, außerdem lassen sich die untersuchten Brandprozesse zusätzlich über eine zeitlich hochauflösende Thermografie erforschen.
02 | INTERDISZIPLINÄRE ZUSAMMENARBEIT
Die Komplexität der übergeordneten Forschungsfragen erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Integration von Fachwissen. Das ZeBra führt erstmals in Deutschland die Expertisen aus den Bereichen Bauingenieurwesen, Chemie, Umweltwissenschaften, rechnergestützte Modellierung und Maschinenbau zusammen, um den Wissenstransfer im Bereich der Brandforschung maßgeblich zu fördern.
Darüber hinaus vernetzt sich das ZeBra hervorragend mit in der Region ansässigen Forschungseinrichtungen wie dem Fraunhofer Zentrum für leichtes und umweltgerechtes Bauen (ZELUBA), der Battery LabFactory (BLB), dem Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF), der Physikalisch- Technischen Bundesanstalt (PTB) und dem Institut für Brand- und Katastrophenschutz (IBK) in Sachsen-Anhalt.
Die Zusammenführung verschiedener Fachkompetenzen strebt das langfristige Ziel an, durch Messungen im kleinskaligen Format und intelligente numerische Simulationen das Brandverhalten sowie die resultierende Schadstoffexposition von Bränden prognosesicher vorherzusagen. Dies umfasst neben Bauteilen und Gebäuden auch innovative Produkte wie Energiespeicher und E-Fahrzeuge. Durch diese Herangehensweise wird eine optimierte Gestaltung und Auslegung von brandsicheren Gebäuden ermöglicht.
Die breit gefächerte Expertise und die entstehenden Synergieeffekte des Zentrums gehen über die Erforschung der Branddynamik hinaus und legen die Grundlagen für die sichere und wirtschaftliche Optimierung von Bauweisen und Produkten.
03 | FORSCHUNGSPROGRAMMATIK
Die übergeordneten Forschungsfragen erfordern ein tiefgreifendes wissenschaftliches Verständnis der Brandprozesse, um die spezifischen Fragestellungen im ZeBra präzise anzugehen. Die Forschungsaktivitäten konzentrieren sich auf fünf Schwerpunkte, die von entsprechenden Arbeitsgruppen institutsübergreifend im ZeBra bearbeitet werden, wie auf Grafik 2 dargestellt. Eine charakteristische Eigenschaft ist die enge Verknüpfung der Forschungsschwerpunkte miteinander.
AG 1 Branddynamik und Sicherheitskonzept
Bei der Gebäudeplanung ist es unerlässlich, die Möglichkeit von Bränden zu berücksichtigen und die Gebäude entsprechend den potenziellen Risiken für Menschen und Sachwerte zu gestalten. Diese Risiken hängen maßgeblich vom Verlauf eines Brandes ab, der wiederum durch die Art und Menge der brennbaren Materialien und Produkte sowie durch die Eigenschaften des Gebäudes bestimmt wird.
Die Wärmefreisetzungsrate stellt die maßgebliche Größe zur Beschreibung der Branddynamik dar. Im Advanced FireLab kann die Wärmefreisetzungsrate durch kalorimetrische Messungen über die Methode der Sauerstoffkalorimetrie quantifiziert werden, wodurch Untersuchungen des Brandverlaufs und der Brandprognose möglich sind. Zusätzlich können weitere Messgrößen wie Temperaturen, Wärmestromdichten, Brandgas- Freisetzungsraten über Fourier- Transformations-Infrarot-Spektroskopie- (FTIR-)Messungen sowie der Massenverlust über Wägungen erfasst werden. Um Brandverläufe effizient und belastbar zu modellieren, sind derzeit skalen- und materialabhängige Eingangsdaten erforderlich. Die Skalierung solcher Eingangsdaten führt aufgrund der Nichtlinearität und Zeitabhängigkeit branddynamischer Prozesse häufig zu Fehleinschätzungen, nicht zuletzt, weil bisher keine geschlossene Theorie zur Übertragung auf andere Skalenbereiche existiert.
Der Forschungsschwerpunkt „Branddynamik und Sicherheitskonzept“ strebt unter anderem die Einrichtung einer Datenbank an, in der thermophysikalischchemische Eingangsdaten von Brandlasten erfasst und zur Verfügung gestellt werden sollen, um als Grundlage für die Modellentwicklung zu dienen. Zusätzlich wird ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die Wärmefreisetzungsraten verschiedener Brandlastkonfigurationen bis hin zum Realmaßstab abbildet.
AG 2 Chemie und Analytik von Brandfolgeprodukten
Realbrände sind durch unvollständige Stoffumsetzungen gekennzeichnet. Die Hypothese der „Trace Chemistries of Fires“, wie sie in der Literatur beschrieben wird, besagt, dass bei solchen unvollständigen Verbrennungen zahlreiche chemische Reaktionen auftreten, die zu einer Vielzahl von Verbindungen führen. Die Abläufe dieser Reaktionen werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören unter anderem die Zusammensetzung der brennbaren Stoffe, die Belüftungsbedingungen, der Wassergehalt, die Menge und Struktur des Brennguts, die zeitlichen und räumlichen Temperaturverläufe, die Verweilzeiten von Reaktanden in Bereichen mit ausreichend hoher Temperatur sowie das Vorhandensein von Katalysatoren und Inhibitoren.
Während Umweltbelastungen durch Brandfolgeprodukte bisher hauptsächlich für Biomasse- oder Müllverbrennung dokumentiert sind, fehlen umfassende Informationen zu Brandfolgeprodukten spezifischer Ausgangsstoffe.
Die Tätigkeiten im Forschungsschwerpunkt „Chemie und Analytik von Brandfolgeprodukten“ konzentrieren sich auf die Erweiterung des Wissens in bisher unbekannte Bereiche. Mit Hilfe moderner Analysetechniken sollen Stoffregister mit Bezug zu definierten Brandlasten und Verbrennungsbedingungen erstellt werden und darauf aufbauende Forschungen und Entwicklungen für neuartige praktische Anwendungen genutzt werden.
Primär soll die „Trace Chemistries of Fire“-Hypothese bestätigt und durch eine deutliche Erweiterung des heute noch sehr eingeschränkten Wissens über chemische Vorgänge und Produkte bei Realbränden weiterentwickelt werden. Die Bewertung der Brandgefahr für den Menschen umfasst dabei auch die Freisetzung partikulärer Brandfolgeprodukte, wie beispielsweise Feinstaub oder Ruß.
Die analytischen Untersuchungsmöglichkeiten realer Brände in verschiedenen Maßstäben im ZeBra, mit denen die verschiedenen Produkte unter kontrollierten Bedingungen analysiert werden können, ermöglichen eine deutlich präzisere Beschreibung und Analyse von brandchemischen Transformationsprozessen.
AG 3 Modellierung und Simulation
Die numerische Modellierung von Bränden ist ein äußerst komplexer Prozess, der verschiedene Teilprozesse wie den Stoff-, Impuls- und Energietransport sowie die Materialtransformation durch chemische Reaktionen berücksichtigen muss. Durch die Kopplung dieser Teilmodelle können letztendlich Aussagen über die Freisetzung von Wärme und Rauch sowie deren Einfluss auf bauliche Strukturen getroffen werden.
Für die strömungsmechanische Beschreibung werden entweder stark vereinfachte Zonenmodelle verwendet, die im Wesentlichen von Gleichgewichtszuständen der Rauchgasverteilung ausgehen und keine genaue Vorhersage lokaler Effekte der Branddynamik ermöglichen, oder dreidimensionale Strömungsberechnungen mit Methoden der Computational Fluid Dynamics (CFD). Letztere ermöglichen zwar eine detaillierte Simulation des Problems, erfordern jedoch oft eine beträchtliche Rechenzeit und liefern möglicherweise nur begrenzte Genauigkeit.
Im Forschungsschwerpunkt „Modellierung und Simulation“ liegt der Fokus auf der Weiterentwicklung und Validierung skalierbarer Berechnungsmethoden, um effiziente und zuverlässige Vorhersagen für Brand- und Schadstoffausbreitung zu ermöglichen. Die erforderlichen Eingangsdaten für die Modellentwicklung und -validierung werden im Advanced FireLab generiert. Es sollen innovative Ansätze für die Modellierung und Diskretisierung von Strömungs- und Festkörpermechanik sowie des Strahlungstransports entwickelt werden. Diese werden in der Brandsimulation verwendet und mit leistungsfähigen chemischen Reaktionsmodellen kombiniert. Das Ziel ist es, hochkomplexe Phänomene wie Raum- und Rauchgasdurchzündungen mit vertretbarem Rechenaufwand präzise vorhersagen zu können.
AG 4 Innovative Bauweisen und digitale Baufabrikation
Material- und Bauteilentwicklungen werden oft ohne Rücksicht auf brandschutztechnische Aspekte vorangetrieben. Falls eine Charakterisierung des Brandverhaltens während der Entwicklungsphase erfolgt, geschieht dies meist unter Normbrandbedingungen. Jedoch können neuartige Bauweisen nur dann sicher und ressourceneffizient optimiert werden, wenn das reale Brand- und Brandausbreitungsverhalten untersucht und prognostiziert werden kann.
Die digitale Fertigung von Bauteilen gewinnt ebenfalls zunehmend an Bedeutung, wobei die Verwendung digitaler Planungsdaten neue Ansätze in der Bauteilfertigung und vor Ort erfordert. Neue Fügeverbindungen sowie additiv hergestellte und hybride Bauteile werfen verschiedene brandschutztechnische Fragen auf, insbesondere hinsichtlich Widerstandsfähigkeit und Brandverhalten.
Im Forschungsschwerpunkt „Innovative Bauweisen und digitale Baufabrikation“ wird das Brandverhalten von neuartigen Bauweisen sowie bewährten Bauweisen aus nachwachsenden Rohstoffen hinsichtlich des Brandverlaufs und Löschverhaltens untersucht. Bei realen Bränden sowie Schwelbränden können oft kritische Brandgaskonzentrationen auftreten, die Personen erheblich gefährden können. Zur Quantifizierung dieser Gefährdung werden Bewertungsverfahren entwickelt, um die Rauchdichtigkeit von Bauteilen systematisch zu bestimmen.
AG 5 Innovative Produkte der Energiewende
Im Zuge der Entwicklung von Speichertechnologien werden Batterien mit zunehmend höherer Energiedichte, Zyklenfestigkeit und Lebensdauer konzipiert. Neben ihrer Verwendung in der Elektromobilität spielen Batterien auch als Massenspeicher eine immer wichtigere Rolle in Privathaushalten und Industriegebäuden. Zusätzlich müssen Batteriezellen und -systeme entlang der gesamten Wertschöpfungskette in großen Stückzahlen und auf begrenztem Raum, beispielsweise beim Hersteller oder beim Recycling, gelagert werden. Daher wird die Untersuchung der Wechselwirkung zwischen einem umgebenden System, insbesondere einem Gebäude, und einer Batterie in einem potenziellen Brandszenario immer dringlicher.
Bisherige brandschutztechnische Forschung konzentrierte sich hauptsächlich auf die Zellebene. Untersuchungen auf der nächstgrößeren Skala, wie Batteriemodule und -speicher, wurden bisher vernachlässigt. Ebenso fehlen systematische Untersuchungen zu externen Einflüssen. Um das Brandverhalten eines Batteriesystems – sei es durch ein internes Batterieversagen oder durch einen äußeren Brand – quantitativ zu beschreiben, müssen Batteriebrände im realen Einsatzszenario untersucht werden. Eine umfassende Untersuchung auf allen relevanten Skalen ermöglicht die genaue Abbildung und Identifikation des tatsächlichen Brandverhaltens sowie dessen Wechselwirkung mit der Umgebung.
Die Forschung im Bereich „Innovative Produkte der Energiewende“ widmet sich diesen Herausforderungen, um durch den Aufbau von Wissen und Methoden die brandschutztechnische Entwicklung innovativer Produkte der Energiewende voranzutreiben. Dabei liegt der Schwerpunkt nicht nur auf der Charakterisierung der entstehenden Brandprodukte, sondern vor allem auf der Modellierung des Brandverlaufs.
04 | ERSTE FORSCHUNGSPROJEKTE IM ZEBRA
HoBraTec
Optimierung der Brandbekämpfungsmethoden und -techniken für Gebäude in moderner Holzbauweise
Im Herbst 2023 konnten bereits die ersten Großbrandversuche im ZeBra durchgeführt werden (Bild 3). Im Rahmen des Forschungsprojekts HoBraTec wurden gemeinsam mit der Feuerwehr Hamburg, der Hochschule Magdeburg-Stendal und dem Institut für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge verschiedene Versuche durchgeführt, um die Brandausbreitung in und über Holzfassaden sowie deren effektive Löschung zu untersuchen. [3] Das Brandverhalten von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen stand dabei auch im Fokus.
Die Feuerwehr nutzte die Versuche, um Einsatztaktiken und technische Mittel für die Brandbekämpfung mehrgeschossiger Gebäude aus brennbaren Baustoffen zu entwickeln bzw. zu prüfen. In mehreren Szenarien wurden Löschangriffe von innen und außen durchgeführt. Die umfangreich eingesetzte Messtechnik (Strömungsmessungen, thermische Sensoren im Brandraum und innerhalb der Bauteile sowie CO-Messungen) trug zur Erfassung wichtiger branddynamischer Kennwerte und der Brandentwicklung bei.
BEGIN-HVS
Beherrschbarkeit von Großschadensfeuern in Industriehallen mit dem Gefahrgut Hochvoltspeicher und deren Ausbreitungsmodelle
Im März 2024 wurden die ersten Versuche im Forschungsvorhaben BEGIN-HVS durchgeführt, bei dem die sichere Lagerung von großen Mengen Hochvoltspeichern erforscht wird. [4]
Bei dem Verbundvorhaben arbeitet die TU Braunschweig eng mit der Branddirektion München und der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) zusammen. Die experimentellen Untersuchungen des Vorhabens finden im ZeBra statt.
In der ersten Versuchsreihe wurde das Brandverhalten einzelner E-Fahrzeug- Batteriemodule im Batteriekalorimeter (K5) untersucht und kalorimetrisch vermessen (Bild 4). Variiert wurde in der Untersuchung von Batteriemodulen verschiedener Automobilhersteller der State-of-Charge (SOC) und die Methode der Initiierung der thermischen Reaktion des Moduls. Zudem wurden im Versuchsaufbau verschiedene Systeme zur Brand(früh)erkennung eingesetzt.
Im weiteren Jahresverlauf 2024 sind zwei Großversuchsreihen mit serientypischen E-Fahrzeugspeichern in Lageranordnung geplant. Hierbei sollen einerseits Erkenntnisse zur Möglichkeit der frühen Branddetektion und Lokalisierung von Speichern im „thermal runaway“ in der Lageranordnung gesammelt werden. Andererseits werden diese Brände vermessen sowie insbesondere das Brandausbreitungsverhalten zwischen den Speichern im Großkalorimeter untersucht, um Eingangsdaten und Möglichkeiten der Validierung für Brandsimulationen zu erhalten.
Dabei kommt neben der Messstrecke in der Rauchgasführung für die Kalorimetrie (bestehend aus Messungen von Rauchgastemperatur, -geschwindigkeit, optischer Trübung sowie Konzentrationen von O2, CO und CO2) auch Gasmesstechnik (FTIR) zum Einsatz. In der Versuchshalle erfolgt der Einsatz von Temperaturmesstechnik, Wärmestrommessungen, Thermographie und die Bestimmung des Masseverlustes mittels Wägung der Versuchskörper während der gesamten Dauer des Versuchs.
Die Werte aller Versuchsreihen dienen auch zur anschließenden Kalibrierung numerischer Modelle zur weitergehenden Untersuchung größerer Lageranordnungen im Rahmen des Forschungsvorhabens.
05 | WISSENSTRANSFER
Der Schwerpunkt des ZeBra liegt auf der grundlegenden Erforschung des Brandverhaltens neuartiger Bauweisen und innovativer Produkte sowie deren Modellierung. Die Brandgefahren und das Brandverhalten digital hergestellter Produkte lassen sich häufig nicht mehr durch bisher genormte Prüfverfahren darstellen. Daher soll im ZeBra die Grundlage für die Entwicklung neuartiger Prüfverfahren geschaffen werden.
Durch die Beteiligung führender Wissenschaftler in Fachgremien wird der Technologietransfer in die Praxis sichergestellt. Dadurch werden grundlegende Erkenntnisse aus der Forschung im Bereich Brandschutz in die Normung und Gesetzgebung integriert. Die einzigartige Kombination aus exzellenten ingenieur- und umweltwissenschaftlichen, chemischen, physikalischen und numerischen Expertisen ermöglicht eine wissenschaftlich fundierte Herangehensweise an brandschutztechnische Fragestellungen. Dies trägt dazu bei, ein angemessenes Gewicht bei Entscheidungen zu Normen und anderen Regelwerken in Europa zu haben und langfristig das nationale Sicherheitsniveau im Bauwesen zu gewährleisten.
Prof. Dr.-Ing. Jochen Zehfuß
Co-Autoren: Olaf Riese, Felix Bickert, Jan-Gabriel Scheller, Justus Frenz, Technische Universität Braunschweig, Braunschweig
LITERATUR
[1] TU Braunschweig (2024). ZeBra. Online verfügbar unter: https://www.tu-braunschweig.de/ibmb/zentren/zebra
[2] TU Braunschweig (2017). Wissenschaftsrat: Forschungsbau Zentrum für Brandforschung bewilligt. Online verfügbar unter: https://magazin.tu-braunschweig.de/pi-post/wissenschaftsrat-forschungsbau-zentrumfuer-brandforschung-bewilligt/
[3] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2022). Optimierung der Brandbekämpfungsmethoden und -techniken für Gebäude in moderner Holzbauweise (HOBRATEC). Online verfügbar unter: https://www.sifo.de/sifo/shareddocs/Downloads/files/projektumriss_hobratec.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[4] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (2023). Beherrschbarkeit von Großschadensfeuern in Industriehallen mit Hochvoltspeichern (BEGIN-HVS). Online verfügbar unter: https://www.sifo.de/sifo/shareddocs/Downloads/P-Umrisse/projektumriss_begin-hvs.pdf?__blob=publicationFile&v=2